Reisebericht: Miaoli, Mingjian 01.-02. April 2023
Endlich ist es wieder möglich, nach Asien zu Reisen. Zu lange haben wir keine Teegärten gesehen, zu lange keine Gerüche der Teeverarbeitung gerochen, zu lange kein herkömmliches chinesisches oder japanisches Essen geschmeckt. Eine Reise nach China (Dalu „Festland", wie die TaiwanesInnen sagen) schien uns zu ungewiss, eine Reise mit Kunden dorthin zu führen sowieso. Zusammen mit Lukas Lange reise ich nun in der Republik China auf Taiwan, später dann mit Tobias Hurschler in Japan. In Taiwan besuchen wir alte und neue Kontakte, reisen in die verschiedenen Teeanbaugebiete und suchen nach den guten, den klassischen, den besten? Tees. Von vielen Teebauernfamilien kaufen wir kleine Mengen verschiedener Tees, die wir dann in Bern quervergleichen werden mit unseren Tees, um die Qualität genau beurteilen zu können. Gleichzeitig verfeinern wir die Planung der Kundenreise in Taiwan Mitte April und bestimmen das definitive Programm.
Nach einer 24-stündigen Reise erreichten wir am Abend des 31. März unser Hotel. Wir wollen zuerst die Teeanbaugebiete südwestlich und südlich besuchen und werden später nach Taibei fahren, weshalb wir vom Flughafen per Metro und Hochgeschwindigkeitszug nach Miaoli gefahren sind. Das hoteleigene Bad mit warmen Quellen hat leider schon geschlossen (wir dachten/hofften, es wäre bis spätnachts geöffnet), wir haben knapp noch etwas zu essen gekriegt.
Die Taozhumiao (nach den Städten Taoyuan, Xinzhu und Miaoli) genannte Gegend ist berühmt für Dongfang Meiren, dem die englische Königin Victoria den Namen Oriental Beauty gegeben haben soll. In Taiwan ist er auch als Angeber-Tee bekannt, in der lokalen Sprache Pongfong, oder nach den weissen Knospen als Bai Hao Wu Long.
Nach gemütlichem Baden in den heissen Quellen des Hotels sind wir am Vormittag des 01. April losgezogen. Nach einem Besuch in einer Teefabrik, die eher einfache, aber erstaunlich gute Qualitäten herstellt, haben wir unseren Taxifahrer nach einem guten Teeladen gefragt. Er hat dies kurz telefonisch mit seiner Frau besprochen; so haben wir zum Teeladen einer Familie gefunden, deren Grossvater bereits Tee zum Export nach Japan produziert hatte; die jetzige Generation exportiert vor allem nach Festland-China. Die Nachfrage nach dem in der chinesischen Vorstellung unverfänglichen, sauberen taiwanesischen Tee ist gross, die Importbestimmungen beinhalten sehr strenge Pestizidrückstandsregelungen, ganz im Gegensatz zur laschen Haltung im Inland der Volksrepublik China. Sie produzieren Oriental Beauty in verschiedenen Qualitäten von eher günstigen Fancy Oolong bis zu Wettbewerbs-Tees in Toufen (Stadt Toufen im Kreis Miaoli), eine der guten Lagen für Oriental Beauty. Daneben verarbeiten sie High Mountain Tea in gemieteten Teegärten in der Nähe von Shanlinxi (Kreis Nantou) und am Alishan (Kreis Jiayi). Es sei sehr schwierig, verschiedene Teegärten an verschiedenen Orten selber zu bebauen, weshalb sie den Teeanbau PartnerInnen überlassen, jedoch die Teeverarbeitung übernehmen. Nach meiner jahrelangen Erfahrung, wonach in solch zufällig entdeckten Teeläden selten richtig gute Tees zu finden zu finden sind, war dieser eine sehr angenehme und positive Überraschung. Die Tees waren allesamt richtig gut, kein störender oder trocknender Nachgeschmack, der Kontakt war sehr herzlich. Wir haben von vielen Tees kleine Mengen gekauft, die dann in Bern dem Härtetest unterzogen werden: Mögen sie gegen unsere jetzigen Tees und andere Muster bestehen, sind sie gar besser, oder wird das ganze eine grosse Enttäuschung? Wir werden sehen. Zum Schluss haben wir uns noch ein Restaurant mit lokaler Hakka-Küche empfehlen lassen. Am Abend wie auch am Morgen des nächsten Tages sind wir selbstverständlich nochmal in die Bäder gesessen.
Am 02. April sind wir mit Lokalzug und Bus nach Songboling (Gemeinde Mingjian im Kreis Nantou) gefahren, um dort einen unserer langjährigen Lieferanten zu treffen. Er produziert Tee in seinem Bio-Teegarten im Dorf Mingjian und lässt auch einige Tees in anderen Gegenden produzieren, die er dann selber in elektrischen Öfen röstet. Seine Tees sind gute, günstige Kugelblatt-Oolong, jedoch nicht herausragende Qualitäten. Wir kaufen nur sehr wenig Tee von ihm, auch weil die Nachfrage nach einem grossen Sortiment an einfachen Taiwan-Oolong nicht gross genug ist – und weil Raritäten interessanter sind. Er ist für uns vorallem interessant, weil er uns Kontakte zu Teeanbaufreunden geben kann, die uns als Ausgangspunkt in anderen Gegenden dienen, gerade auch im Hinblick auf die Teereise. Er wollte uns noch zum Hotel fahren, doch wir haben gerade noch einer der letzten Busse in die Stadt Nantou erwischt, zu einem etwas heruntergekommenen Stadthotel ohne Bäder.
Kaspar Lange, Im Zug nach Taibei und dortselbst, 06.-07. April 2023