Reisebericht: Jiayi, Alishan 04.-05. April 2023
Unser nächstes Reiseziel war der berühmte Alishan, bekannt nicht nur als Tourismusdestination, sondern auch für den taiwanesischen Gaoshancha, High Mountain Tea. Der zum Kugelblatt geformte Oolong aus den Varietäten Qingxin Wulong oder Jinxuan wird heutzutage leider sehr oft sehr grün verarbeitet und ist daher fast schon roh im Geschmack. Zudem wird hier relativ grossflächig angebaut, Alishan High Mountain Oolong ist also auch schon ein Massenprodukt. Auch hier ist unser Ziel, die wirklich guten Tees zu finden, wenn möglich auch in einer klassischeren, etwas mehr oxidierten Variante.
Am 04. April sind wir per Bus und Zug von Nantou nach Jiayi gereist und sind kurz nach dem Bezug des Hotels wieder losgezogen. Unterwegs hatten wir bereits mit dem Teebauern telefoniert, dessen Kontakt uns unser Lieferant in Songboling vorgestern gegeben hatte. Mit Müh’ und Not haben wir ein Taxi gefunden; aufgrund eines Missverständnisses glaubte ich verstanden zu haben, der Teebauer wäre in seinem Laden unten in Stadtnähe, er war jedoch in seiner Fabrik am Berg, in Xiding auf 1200 Meter über Meer. Nach langer und kurvenreicher Fahrt (der Taxifahrer hatte sich schon von Anfang an beklagt und wollte einen horrenden Preis für diese Bergstrasse; ich liess in nach Taxameter fahren – der gelte nur in der Stadt, meinte er darauf, aber ich bin hart geblieben) sind wir im dicken Nebel bei der Teefabrik angekommen. Das Klima in dieser Höhenlage mit viel Nebel und Wolken ist für den Teeanbau ideal. Wir sind sehr herzlich empfangen worden und haben einmal mehr Glück gehabt – die Tees waren wunderbar. Nach einem sehr schönen, zwar hellen, aber gut oxidierten „normalen“ Alishan, einem guten Jinxuan (neuere, früh spriessende Varietät), einem Mixiang Oolong (insektenbefallener Tee, das Pendent zum Guifei in Dongding) sind wir kurz vor Abfahrt noch auf Dongpian, im Winter geernteter Tee zu sprechen gekommen, den es je nach klimatischen Bedingungen nur alle paar Jahre gibt. Dieser Alishan Dongpian von 2019 war richtig gut. Der Teebauer weiss auch sehr gut Bescheid über die Biochemie des Teeblattes und wir konnten etwas Fachsimpeln. Während des Gespräches über die taiwanesische Teegeschichte sind wir auch auf Muzha Tieguanyin zu sprechen gekommen, und prompt hat er dort einen befreundeten Teeproduzenten - schon haben wir einen neuen Kontakt, den wir von Taibei aus aufsuchen werden. Der Teebauer und seine Frau haben uns dann in die Stadt zurückgefahren.
Am nächsten Tag wollten wir selber das Gebiet erkunden. Wir sind also am morgen des 05. April – diesmal mit dem Bus – nach Shizhuo gefahren, das bekannteste, beste? Terroir am Alishan. Es ist noch etwas weiter Richtung Gipfel und etwas höher als Xiding; der Teebauer von gestern hat nicht nur in Xiding, sondern auch in Shizhuo Teegärten. Wir haben in einige Läden von Teeproduzentenfamilien hineingeschaut und hier und dort Tee probiert, aber alle waren von dieser grünen, trocknenden Variante. Wir sind viel herumgelaufen und haben viele leider eher grossflächige Teegärten gesehen – und haben einen Kaffeeproduzenten gefunden, hier am Alishan wird auch Kaffee angebaut! Nach der Rückfahrt am späten Nachmittag nach Jiayi sind wir in einem sehr schönen, alten Teehaus essen gegangen. Es ist rund um einen Teich mit fetten Karpfen gebaut, sehr stimmig. Natürlich wird in so einem Teehaus auch Tee serviert, eine kleine Auswahl im Gongfucha zubereitet. Aber solche Teehäuser nach kantonesischer Art sind eben auch sehr gute Restaurants.
Kaspar Lange, Okinawa, 11. April 2023