Nachdem wir am Morgen des 06. April mit dem gemütlichen Puyama-Express von Jiayi nach Taibei gefahren sind, haben wir den Nachmittag im nordwestlich an der Mündung des Flusses ins Meer gelegenen Aussenbezirk Danshui verbracht. Am Abend besuchten wir die heissen Quellen von Beitou, etwas weiter zurück Richtung Taibei. Diese Art schwefelhaltiges Wasser gebe es nur hier und an einem Ort in Japan.
Für den 7. April hatten wir uns Besuche in Yingge und im südöstlich gelegenen, fast an die Stadt angrenzenden kleinen Teeanbaugebiet Muzha vorgenommen. Yingge ist ein südwestlich von Taibei gelegenes Städtchen, welches berühmt ist für seine Keramikproduktion. Von Alltagsprodukten bis zu Kunsthandwerk, nicht nur für Teegeschirr, sondern alles mögliche. Wir besuchen die Firma Eilong, von der wir seit unserem Besuch bei der Ambiente-Messe in Frankfurt 2019 viel Teegeschirr kaufen. Sie haben hier in der alten Strasse, wo Laden an Laden aufgereiht sind (und wie wir später erfahren sollten, ebenfalls in Taibei und in Jiufen) einen Verkaufsladen inkl. Restaurant und weiter hinten im Städtchen Büro und Fabrik; allerdings wird dort das Design gemacht und Teile zusammengefügt und verpackt, die Produktion ist an verschiedenen Standorten in China (wo sonst). Es ist ein schön gemachter Laden, mit vielen Produkten, die wir im Länggass-Tee auch verkaufen – allerdings ist hier die Auswahl viel grösser und einige Sachen könnte ich mir bei uns im Sortiment auch vorstellen. Vor Ort ist immer mehr zu sehen als per Mail oder in Onlineshops!
Für einen ausführlichen Bummel durch die Geschirrläden blieb leider keine Zeit, abgesehen davon, dass dies sowieso nur Sinnvoll ist mit jemanden zusammen, der/die sich auskennt und Kontakte hat, so dass die wirklich interessanten Geschäfte gefunden werden.Da wir schon relativ spät dran waren, sind wir von Yingge (südwestlich von Taibei) nach Muzha (südöstlich von Taibei) mit dem Taxi gefahren. Per Zug, Metro und Gondel durch die Stadt und dann die Hügel in Muzha hinauf hätte schlicht zu lange gedauert. Unterwegs haben wir den Teebauern in Muzha angerufen und über unser baldiges Eintreffen informiert. Der Empfang war sehr herzlich, seine Mutter hat Tee zubereitet, er hat erzählt und zwischendurch nach dem Tee gesehen, den er am Rösten war. Eine nicht so tolle Qualität, wie er später erzählt hat; er versucht sie durch das Rösten zu korrigieren. Wir haben einen im Stil der Muzha Tieguanyin hergestellten Tee getrunken, allerdings aus der Varietät Jinxuan. Hier haben wir es wieder, das Problem von Namen und Stil. Korrekterweise müsste der Tee Mu Zha Jin Xuan heissen...Später hat er uns einen echten, aus der Varietät Tieguanyin produzierten Tee vorgesetzt, der deutlich interessanter war. Dieser würde dann Zheng Cong Tie Guan Yin, „echte Sorte“ Tieguanyin heissen.



Nachher sind wir Teegarten und Teefabrik anschauen gegangen. Der besuchte Teegarten ist schön am Hang gelegen, oben mit Jinxuan, unten mit Tieguanyin bepflanzt. Er habe noch zwei weitere kleine Teegärten an anderen Orten im Gebiet. Wie wir in seiner Teefabrik kurz drauf gesehen haben, ist er ein sehr kleiner Produzent, mit nur einer Garnitur Maschinen zum Befeuern und Formen. Zum Schluss haben wir noch seinen Jinxuan-Schwarztee aus der Sommerernte getrunken, wie die meisten solcher Tees mässig interessant.
Wir haben uns verabschiedet und während des Eindunkelns die kurze Distanz hoch zur „Berg“-Station der Gondelbahn gegangen, die uns dann an den Stadtrand hinunter brachte. Mit der Metro sind wir dann in die Stadt gefahren, wo wir mit der Dolmetscherin der bald stattfindenden Teereise in Taiwan essen gehen wollten.



Am 8. April sind wir zu Fuss zum Da’an-Viertel gegangen, gar nicht weit von wo wir gestern Abend gegessen hatten. Unterwegs kamen wir am Präsidentenpalast und am überdimensionierten Chiangkaishek-Memorial vorbei und haben nebenbei viel vom täglichen Stadtleben gesehen. Unser Ziel war der Laden von Master He, den ich im 2003 und Lukas im 2004 jeweils mit unserem Vater und Chou Menglin besucht hatten. Wir hatten schon jahrelang keinen Kontakt und hatten seine Adresse noch auf einer alten Teepackung von ihm. Den Laden gibt’s noch – hat allerdings nur am Nachmittag geöffnet. So sind wir in ein vorher entdecktes, schön und schlichteingerichtetes Teehaus gegangen. Dort gibt es nur alte Pu Er zu trinken, drei Sorten, einer sei von 1965, was uns natürlich sofort interessierte, inklusive einer grossen Portion Skepsis, ob das überhaupt sein kann. Die Geschichte zu diesem Tee war dann auch einigermassen haarsträubend; der Tee war erstaunlich gut und jedenfalls sehr alt. Wir haben dann auch gleich dort zu Mittag gegessen. Dann war auch schon Zeit, um zu Master He zu gehen. Auch hier ein sehr herzlicher Empfang, wir haben Baozhong und Muzha Tieguanyin getrunken und alte Erinnerungen ausgetauscht. Viel Zeit hatten wir nicht, wir verabredeten, nach vier Uhr nochmal vorbeizukommen. Denn wir hatten schon lange Voraus um zwei Uhr nachmittags mit Chou Menglin bei ihrem Teelehrer Master Chen abgemacht. Die meisten unserer Taiwan-Tees beziehen wir über sie. Es wurde ein fröhliches Zusammensein mit vielen verschiedenen Tees, von Master Chen selektioniert und geröstet. Für uns war spannend, nach den vielen verschiedenen Tees in den unterschiedlichen Regionen, von verschiedenen ProduzentInnen wieder einige der Tees von Meister Chen zu trinken, deren Stil uns sehr vertraut ist. Wenn wir im Mai wieder zurück in der Schweiz sind, werden wir viele vergleichende Degustationen von unseren jetzigen, von Meister Chen stammenden Taiwan-Oolong mit den Mustern der auf dieser Reise zusammengekommenen Tees machen. Später, wieder bei Master He, konnten wir den zweiten sehr alten Tee an diesem einen Tag trinken: Er hat einen Qian Liang Cha von 1953 (wenn denn das stimmt), den er nicht verkauft, weil der Preis völlig unrealistisch ist. Es gibt ihn nur bei ihm zu trinken.



Kaspar Lange, Ureshino, 12.-13. April 2023