Reisebericht: Kyoto, Uji 20.-22. April 2017
Donnerstag, 20. April
Früher hatten wir die meisten Japan-Grüntees aus der Region Uji gekauft, in den letzten Jahren hat sich unser Schwerpunkt auf die Insel Kyushu verlegt, wo wir bald fast alle Japan-Tees einkauften. Neben der Vertiefung des Fachwissens und dem Kennenlernen der Vielfalt an japanischen Tees ist das Knüpfen von Kontakten zu Produzenten und Teebauern aus anderen Teeregionen wie Shizuoka oder eben Uji ein Ziel dieser Japanreise.
Bereits letztes Jahr hatten wir von Bern aus Kontakte zu Hottaen knüpfen können und über Muster bereits drei Tees ins Sortiment genommen. Am Donnerstagmorgen war nun ein Besuch bei Hottaen geplant. Arino Mayumi, die Verantwortliche für den Export, hat uns freundlich empfangen. Wie vielerorts in Japan üblich, mussten wir die Schuhe ausziehen, Hausschlarpen gab es allerdings erst im erste Stock; dahin gelangte man über einen Tatami-Gang (was nichts aussergewöhnliches ist) und über eine Tatami-Treppe (was sogar Hitomi erstaunt hat). Arino-san hat uns vom Wettbewerbs-Gyokuro aufgegossen. Sie habe vor sieben Jahren bei Hottaen angefangen und den Tee-Export ihrer Firma überhaupt auch aufgebaut, ein grosser Teil sei allerdings immer noch Inland-Verkauf. Hottaen vertreibt nicht nur Tees aus Uji, sondern auch aus Kyushu. Für grosse Mengen oder auch vielschichtige Geschmacksnuancen werden Tees verschiedener Teepflanzenvarietäten auch gemischt. Währenddessen ist auch der Präsident Hotta Katsutaro zu uns gestossen, ein ziemlich lebendiger und lustiger Typ, der offensichtlich auch von mir ziemlich begeistert war. Er hat dann den Wettbewerbs-Gyokuro mit kaltem Wasser und Eiswürfel aufgegossen, was wunderbar gut geht mit japanischen Top-Grüntees.
Nachher sind wir natürlich die Teegärten eines Teebauers, der Hottaen beliefert, anschauen gegangen. Hottaen hat mit diversen Teebauern Lieferverträge, produziert also nicht selber. Wichtiger Unterschied zu anderen Regionen ist einerseits das weniger dichte Bepflanzen der Teebüsche; die Gärten (gerade die handzupflückenden) sehen „chinesischer“ aus. Zweitens werden sehr viele Tees bereits sehr früh bedeckt, oft sogar noch traditionell und arbeitsintensiv mit Bambus und Stroh; schliesslich ist die Region hier spezialisiert auf Gyokuro und Tencha für Maccha, auch Top-Sencha werden bedeckt, sind also eher Kabusecha. Drittens wird hier generell nur einmal pro Jahr gepflückt, was den Teebüschen genügend Ruhe lässt und dementsprechend die Qualität der Tees langfristig erhöht, jedoch natürlich die Quantität mindert.
Wieder zurück in der Firma hat uns Morita Sensei seinen besten Sencha zubereitet. Der Teemeister ist manchmal als Berater für Hottaen tätig, Arino-san hat das Treffen organisiert. Er gewann den ersten Platz im japanischen Degustationswettbewerb, wo Tees blind auf Herkunft, Teepflanzenvarietät und Anderes beurteilt werden müssen. Er mischt seinen Sencha aus verschiedenen Varietäten, um diverse Geschmacksschichten und Nuancen und eine bestimmte Würze zu erhalten. Danach hat er uns denselben Maccha auf zwei verschiedene Arten zubereitet: einmal normal mit gesiebtem Teepulver, um Klümpchen zu vermeiden; einmal ungesiebt, wobei er dem Teepulver nur wenig Wasser zugegeben hat und mit dem Bambusbesen langsam zu einem Brei verrührt hat, wobei die Klümpchen aufgelöst wurden. Danach wurde mit mehr Wasser verdünnt. Ein sehr spannendes Experiment, obwohl das Macchapulver dasselbe war, hatten wir zwei verschiedene Tees.
Später haben wir mit Arino-san besprochen, was wir für Muster haben möchten und in Erfahrung gebracht, was Hottaen eigentlich so alles macht, welche Tees sie organisieren könnten. Sie hat uns dann noch zum Mittagessen in ein kleines, familiäres Lokal eingeladen; wir waren bereits etwas spät dran, aber uns wurden noch Speis und Trank serviert.
Während Hitomi und Mark zu einer Keramikerin ausserhalb von Kyoto gefahren sind, haben Gerhard und ich uns auf den Weg zu Mitsuboshien Kanbayashi gemacht. Dort wirkt seit drei Jahren Tobias Baer, er stammt aus der Schweiz und hat sich in den ältesten Teeladen Japans eingeheiratet. Der Teeladen hat sich ganz seiner Tradition verschrieben und konzentriert sich auf eine kleine, aber feinen Auswahl. Sie führen ausschliesslich Tees aus Uji (dies dürfen laut Regelung Tees aus den Präfekturen Kyoto, Shiga, Nara und Mie sein), die sie auch selber produzieren. Wir haben lange gesprochen und einige Tees degustiert, einige Tees eingekauft, in Bern werden wir diese dann ausführlich degustieren. Scheint sehr interessant zu sein, gerade auch weil Hottaen eher spezialisiert ist auf mittlere bis gute Qualitäten für den Export, während Mitsuboshien Kanbayashi auf Maccha und Gyokuro in Top-Qualität und in traditioneller Uji-Art spezialisiert ist, wobei bedeckte und unbedeckte typische Uji-Sencha auch nicht fehlen.
Freitag und Samstag, 21.-22. April
Am Freitagmorgen wollten wir zwei weitere Teeläden von Produzenten in Uji besuchen, beides Teehäuser mit langer Geschichte. Die Familie Tsuen durfte die ursprünglich für den Unterhalt der Brücke über den Uji-River Zollgebühren erheben, nach dem Wegfall dieses Privilegs begannen sie, Tee zu produzieren und zu verkaufen, mittlerweile in 23. Generation. Wir probierten einen Gyokuro und einen Sencha und waren eher enttäuscht. Koyamaen ist der offizielle Maccha-Lieferant der Urasenke-Teeschule und geniesst deshalb einen sehr guten Ruf. Wir wurden nicht richtig empfangen, hatten unser Kommen allerdings auch nicht früh genug angemeldet. Wir durften zwei Tees degustieren, zwei verschiedene Sencha, einer normal gedämpft, einer etwas länger gedämpft; allerdings beide in einem sehr gefälligen Stil. Sie waren uns etwas zu dünn, der Nachgeschmack liess allerdings aufhorchen. Da wie gesagt niemand sich wirklich Zeit für uns nahm, sind wir dann wieder gegangen – natürlich nicht ohne einige Tees zwecks Degustation in Bern zu kaufen.
Kurz vor Mittag sind wir nach Kyoto gefahren, um zwei weitere Läden zu besuchen. Einerseits Kaikado, die seit 1875 (Tee-)Dosen aus Zinn, Kupfer und Messing herstellen; mittlerweile in der 6. Generation. Wir werden abklären, ob wir diese in der Schweiz verkaufen wollen und können. Andererseits unseren Lieferanten für japanische Süssigkeiten, die während der Teezeremonie zum Maccha gereicht werden.
Am Samstagmorgen sind Mark und Gerhard in Kyoto Jack Convery besuchen gegangen, einen ursprünglich aus Kanada stammenden Lehrer der Urasenke-Schule. Er war auch schon zu Besuch im Länggass-Tee, viele Schweizer Urasenke-SchülerInnen kennen ihn. Ich bin währenddessen nach Osaka gefahren, wo mein Bruder Lukas von Shanghai kommend eingetroffen ist, wo er am Vorabend seine Kundenteereise beendet hatte. Zusammen würden wir dann mit dem Shinkansen nach Fukuoka auf der Südlichen Hauptinsel Kyushu fahren, wo auch Gerhard und Mark abends eintreffen würden.