Reisebericht: Anhui 20.-22. April 2019
Fang Jianming ist uns seit mehr als zehn Jahren ein verlässlicher und kompetenter Handelspartner. Bis vor kurzem arbeitete er für eine grosse Handelsfirma, nun sucht und produziert er Tee auf eigene Faust. Für den Export arbeitet er dennoch mit einer grossen Firma zusammen, nun jedoch mit einer anderen. Es ist Jahre her, seit er meinen Vater Gerhard Lange und mich nach Qimen, Lu’an und Huoshan geführt hat. Dieses Jahr ergab sich erneut die Möglichkeit, gemeinsam mit Fang Jianming Teeanbaugebiete in Anhui zu besuchen, dieses Mal in der Gegend um Huangshan. Er hat viele langjährige Kontakte hier, zum Teil produziert er mit ihnen zusammen. Die Reise sollte uns zu diversen Teefabriken und Teegärten führen, die im grossen Stil für den einheimischen wie auch für den Exportmarkt produzieren. Exportiert wird nicht nur nach Europa, sondern auch nach Afrika, wo grosse Mengen von billigem Grüntee für den dortigen Thé à la Menthe gebraucht werden.
Im Grosshandel stehen andere Themen im Vordergrund als beim Einkauf von originalen, seltenen, gesuchten Raritäten. Selbstverständlich geht es im Endeffekt auch hier um Qualität. In erster Linie geht es jedoch um günstige Tees aus guten Anbaubedingungen. Natürlich wollen wir auch für unser Alltagssortiment keine Tees aus Monokulturen, wo Pestizide, Dünger und Insektizide in Unmengen gespritzt werden. Die grossen Firmen verfügen über eine offizielle Exportbewilligung, die Tees für den Export nach Europa werden auf Rückstände getestet und dürfen nur nach Europa exportiert werden, wenn sie den diesbezüglichen EU-Standard einhalten.
Noch besser, wenn die Tees bio-zertifiziert sind. Diese Faktoren stehen alle auf dem Papier und sind selbstverständlich von Bedeutung, über die Verarbeitung, über die Qualität des Tees ist damit jedoch noch nichts gesagt. Für uns sind auch für günstige Tees nicht nur die Anbaubedingungen wichtig, sondern auch eine saubere, gut kontrollierte Herstellung, welche schlussendlich die Teequalität massgeblich mitbestimmt. Günstige und zugleich gute Tees zu finden ist schwierig. Hier profitieren wir natürlich ebenfalls von dem auf Reisen angesammelten Fachwissen, den langjährigen Kontakten und den regelmässigen Besuchen vor Ort. Immer wieder stellt sich heraus, dass trotz langjährigen Kontakten und regelmässigem Austausch per Email in der direkten Begegnung viel mehr Information fliesst, Bedürfnisse besser, klarer angebracht werden können.
Fang Jianming erwartet mich am Bahnhof von Hefei. Bevor wir am späten Nachmittag mit dem Zug nach Chizhou fahren würden, besuchen wir einen Teemarkt in Hefei, um einige Tees zu probieren. Hier gibt es vor allem lokale Tees, also solche aus der Povinz Anhui, darunter auch solche, die ich noch nicht kenne. Besonders bekannt sind Taiping Houkui, Lu’an Guapian, Qimen Hongcha, Dinggu Dafang, Songluo und Huoshan Huangya – alles Tees, die wir seit längerer Zeit im Sortiment führen. Wie üblich ist der Teemarkt sehr belebt, wirklich Interessantes ist jedoch nicht zu finden.
Am nächsten Morgen fahren wir von Chizhou nach Xiaokeng, ein Dorf in Richtung Qimen, noch ausserhalb des originalen Keemun-Schwarztee-Gebietes. Die Teefabrik, welche uns interessiert produziert ausschliesslich Bio-Tees, Grüntee und einen Qimen-artigen Schwarztee. Die beiden Teegärten, die wir besuchen, sind wunderschön. Hohe Biodiversität, jeweils in einem Tal gelegen, ohne viel direkte Sonneneinstrahlung. Bisher haben sie nicht exportiert; hier werde ich dranbleiben. Zurück in Chizhou degustieren wir die Muster von diesen sowie Tees aus einem Bio-Teegarten in Qimen.
Am Nachmittag geht die Fahrt weiter nach Shexian, in des Gebiet von Dinggu Dafang, ein Flachform-Grüntee, das ursprüngliche Vorbild des heute sehr berühmten Longjing. Einige Muster können wir heute noch degustieren, der Besuch in den Teegärten ist für den nächsten Tag vorgesehen. Fang Jianming arbeitet seit langer Zeit mit dieser Teefabrik zusammen, hier produziert er auch seinen Fang Zhi Huang Cha, einen Gelbtee in der Form des Dinggu Dafang. Von 1998 bis 2008 haben sie hier Sencha für Japan produziert. Die Maschinen stehen noch, jedoch unbenutzt. Heute ist ein anderer grosser Maschinenpark am Laufen, vor allem für einfache Qualitäten von Zhen Mei. Weitere Maschinen zur Herstellung von Maofeng und Dinggu Dafang stehen neben einigen Woks zur traditionellen Handverarbeitung von Dinggu Dafang. Auch der hiesige Teegarten ist wunderbar, damals von den Japanern angelegt. Auch hier wird Bio-Tee produziert, in letzter Zeit allerdings ohne Zertifizierung.
Zum Schluss der Tour besuchen wir die Songluo-Teefabrik in Xiuning. Die Tochter des Firmengründers ist heute General Manager, obwohl sie studiert hat und erst später ins Teegeschäft gerutscht ist - ein Jahr später als ich bei Länggass-Tee. Sie produzieren alle möglichen Qualitäten von Songluo-Grüntee, Top bis günstig, auch Songluo-Schwarztee, dazu Unmengen von einfachen Tees für den Export nach Afrika. Auch dieser Teegarten gefällt mir sehr, auch hier können sie zertifizierte Bio-Tees herstellen, allerdings haben sie bisher keinen Songluo mit Bio-Zertifizierung produziert; mal sehen... Nach all diesen Besuchen wird es selbstverständlich nötig sein, Muster schicken zu lassen und zuhause noch mal in Ruhe zu degustieren, Preise und Mengen anzuschauen, zu berechnen und durchzudenken. Länggass-Tee ist ein kleiner Fisch, wir kaufen selten eine Tonne vom gleichen Tee, oft sind es einige Kartons, wenn es hoch kommt über 100kg pro Sorte. Gerade für eine Bio-Zertifizierung ist eine kleine Menge ungünstig, da der Aufwand pro Kilo zu gross ist – so kaufen wir immer wieder Bio-Tees ohne Zertifizierung.
Kaspar Lange, Xiuning und Shanghai 22.-23. April 2019