Reisebericht: Changsha 06.-11. Mai 2018
Sonntag, 06. Mai 2018 // Nach dem längeren Aufenthalt in Shanghai war wieder mal ein Reisetag angesagt. Nach dem Frühstück bin ich zur in der Nähe gelegenen Verkaufsstelle der chinesischen Eisenbahn gegangen, um ein Ticket nach Changsha in der Provinz Hunan zu kaufen, Abfahrt in Shanghai Hongqiao um 12.40, Ankunft in Changsha Nan (Südbahnhof) um 18.16 Uhr. Hunan liegt in Zentral-Süd-China und ist also ein ganzes Stück weg von Shanghai; der Hochgeschwindigkeitszug fuhr streckenweise mit über 300 Stundenkilometern. Bei der Ankunft regnete es in Strömen, die lange Schlange bei den Taxis war zum Glück überdacht. Nach einer doch relativ langen Fahrt in die Vororte bin ich schlussendlich im Hotel angekommen, welches Zhou Xiaodong für mich reserviert hatte und wo er auf mich wartete. Nach dem Abendessen haben wir uns für den nächsten Tag verabredet, er würde mich abholen kommen.
Montag, 07. Mai 2018 // Zhou Xiaodong ist der Gründer und Besitzer einer Tee-Export-Firma in Changsha. Er stammt aus Südost-Hunan und studierte an der Hunan Agricultural University. Danach arbeitete er 2002 bis 2015 am Hunan Tea Research Institute, zuerst in der Forschung, danach im Exportbereich. 2014 gründete er seine eigene Firma, die vorallem nach Japan, aber auch nach Nordamerika und Europa exportiert. Zhou Xiaodong hat Kontakte zu TeeproduzentInnen in ganz China und auf Taiwan. Seit 2016 sind wir im Kontakt mit ihm und haben auch schon einige Tees gekauft. Über ihn können wir gute, günstige Alltagstees, aber auch Raritäten beziehen. Ein nächster Schritt soll die Bio-Zertifizierung sein, so dass wir über ihn auch Bio-Tees werden kaufen können. Er selber reist natürlich immer wieder in die Teegebiete, um seine ProduzentInnen zu besuchen oder neue zu suchen, gerade eben ist er von einer Reise nach Yunnan zurückgekommen. Vor meiner China-Reise hatte ich angemeldet, dass ich ihn in Changsha besuchen würde.
Am Vormittag sind wir ins Büro der Firma eines Kollegen von Zhou Xiaodong gefahren, mit dem er zusammen im Inland-Teehandel wie auch im Export zum Teil zusammenarbeitet. Dort haben wir diverse Muster grüner und schwarzer Tees verschiedener Provenienzen probiert und über Tee und Verarbeitungen gefachsimpelt.
Nach dem Mittagessen sind wir zu einem Teeladen gefahren, den genannter Kollege mit einem Partner betreibt. Es ist ein Teeladen mit zugehöriger Teefabrik im Kreis Anhua, wo die bekannten Heicha aus Hunan produziert werden: Tian Jian, Qian Liang Cha, Fu Cha. Daneben wird dort natürlich auch Grüntee produziert und - das habe ich zwar gewusst, war mir aber bisher nicht untergekommen – Schwarztee: den doch auch berühmten Hu Hong, der wie andere Tees auch an der Weltausstellung 1915 war und dort eine Silbermedaille gewann. Dieser Schwarztee hat einen eigenen Charakter, unterscheidet sich von den Qi Hong (Keemun) und Min Hong (Fujian), da er aus Zhongxiaoyezhong, Mittel-kleinblättrige Sorte der Teepflanze hergestellt wird. Dem wird nachzugehen sein. Auch die Heicha sind ganz interessant. In diesem Bereich hat sich viel geändert. Früher wurden Heicha ausschliesslich zum „Export“ in Chinas Minderheitengebiete produziert, nach Tibet, Xinjiang und in die Innere Mongolei. Erst in den letzten 10 bis 20 Jahren ist Heicha auch für den innerchinesischen Markt interessant geworden, vor allem in Guangzhou, wo heute ein Grossteil der Heicha gehandelt wird und wo auch viele gelagerte Tees zu finden sind – nicht zuletzt haben auch wir bisher dort unsere Heicha gekauft.
Nach diversen Runden Tee sind wir am späten Nachmittag ins Stadtzentrum von Changsha gefahren, wo ich nach einer Erkundungstour übernachtete.
Dienstag, 08. Mai 2018 // Nach dem Frühstück bin ich mit der Metro Richtung Westen bis zur Ringautobahn gefahren, wo mich Zhou Xiaodong an einer Metrostation abholte. Wir sind in den Kreis Anhua gefahren, in die Gemeinde Yanxi, um eine Teefabrik zu besuchen, wo neben Heicha auch Schwarztee und Grüntee produziert wird, geführt von einem Ehepaar in den Rollen Produzentin und Manager. Es ist jedoch nicht diejenige des Teelandens vom Vortag. Nach einem guten Stück Autobahn sind wir über kurvige Landstrassen in das hügelige Gebiet gefahren und nach fast fünf Stunden Fahrt angekommen, ohne Mittagessen. Interessanterweise trinken die Menschen in der Gegend, auch die TeeproduzentInnen vor allem Schwarztee. Heicha wird nach wie vor für den Verkauf produziert, nicht für den Eigenbedarf, was nach den obigen Ausführungen eigentlich klar ist. Der Hu Hong, also der lokale Schwarztee, hat mir allerdings hier viel weniger gefallen als derjenige vom Vortag. Die Tasse ist gelb statt rot, was durch eine leichtere Oxidation erreicht wird, wahrscheinlich wird dies schon beim Rollen definiert. Obwohl die Produzentin behauptet, dies sei die hier traditionelle Art der Schwarzteeverarbeitung, glaube ich, dass dies der modernen Art geschuldet ist, alle Tees leichter, süsser, grüner zu machen. Kurz: dieser Schwarztee ist zuwenig oxidiert.
An diesem Tag war gerade kein Tee in Produktion, die frischen zum Welken ausgelegten Blätter würden erst am nächsten Tag verarbeitet werden. Wir konnten aber die ganze Fabrik anschauen und uns den Verarbeitungsprozess zum Heicha genau und anschaulich erklären lassen. Das frische Pflückgut wird in einer dicken Schicht zum Welken ausgelegt, einen ganzen Tag lang, also gut 24 Stunden. Danach wird es befeuert, in einer holzbeheizten Drehtrommel. Nach einem kurzen – sehr kurzen – Auskühlen wird es gerollt und dann zum Fermentieren zu Haufen aufgeschichtet. Nach 12 bis 18 Stunden wird das Blattgut getrocknet und fertig ist der Maocha, der unfertige Tee. Dieser wird dann 2-3 Monate offen und danach in Stoffsäcken gelagert. Nach insgesamt einem Jahr wird anhand der Blattqualität (Anteil Stengel, Anteil grosser Blätter) entschieden, ob Tian Jian, Qian Lian Cha, Fu Zhuan Cha oder Hei Zhuan Cha daraus gepresst werden soll.
Später sind wir zu den Teegärten hinausgefahren, hier wieder einmal sehr schön. Viele alte, ursprüngliche „Teegärten“ sind im Unterholz in Wäldern, kaum zugänglich und mit wenig Ertrag. Der Grossteil besteht natürlich aus in Reihen angelegten Teegärten, jedoch mit viel Unkraut dazwischen, insgesamt eine sehr hohe Biodiversität. Weiter oben sind wir PflückerInnen begegnet, darunter die Eltern des Managers, die noch immer leidenschaftlich in den Teegärten arbeiten. Das Pflückgut für Schwarz- und Grüntee wird von Hand gepflückt, für Heicha werden kleine Maschinen verwendet, den hier werden grosse Blätter und Stengel mitverarbeitet, das Pflückgut muss qualitativ nicht so hoch, aber günstig sein.
Nach dem Abendessen im Dorfhotel haben wir uns auf den langen Rückweg nach Changsha gemacht, wo ich wieder in einem Vorort übernachten würde, in der Nähe von Wohnort und Arbeitsort von Zhou Xiaodong, um nicht noch in die Stadt reinfahren und am nächsten Tag wieder rausfahren zu müssen.
Mittwoch, 09. Mai 2018 // Zhou Xiaodong hatte diverse Sachen zu erledigen, welche die letzten beiden Tage angefallen waren und so haben wir uns nur kurz am Abend gesehen, als er mir zwei Muster von Kai Hua Long Ding übergeben hat. Ich hatte tagsüber Büroarbeit am Computer erledigt und abends noch die beiden Muster degustiert.
Donnerstag, 10. Mai 2018 // Am Morgen sind wir nach Junshan gefahren, um uns die Teegärten des originalen Jun Shan Yin Zhen anzusehen, einer der berühmten Gelbtees, der zu den teuersten Tees in China gehört. Kurz vor der Ankunft haben wir in einem Bauernlokal an der Strasse zu Mittag gegessen, danach sind wir zur Insel Junshan rübergefahren. Junshan ist der Name eines Gebietes innerhalb der Stadt Yueyang und gleichzeitig der Name einer kleinen Insel im See Dongtinghu innerhalb des Gebietes Junshan. Die Insel ist der originale Herkunftsort des Tees Jun Shan Yin Zhen, aber solche aus der Umgebung, wohl sogar von ausserhalb des Gebietes Junshan, werden ebenfalls Jun Shan Yin Zhen genannt und allzu oft nicht mal als echter Gelbtee verarbeitet, sondern als auf Gelb gemachter Grüntee. Der See Dongtinghu ist in Wirklichkeit weniger gross als auf der Karte, er trocknet an den Rändern aus, weshalb die Insel Junshan auch über den Landweg zu erreichen ist. Nun ist die Insel Junshan aber auch ein Touristengebiet, eine AAAAA-Sehenswürdigkeit – nicht wegen des Tees, sondern weil sich vor 4000 Jahren eine der Frauen des verstorbenen Kaisers nach dessen Begräbnis auf dem Rückweg hier ausgeruht haben soll. Abgesehen von der Tatsache dass sich diese Teegärten in einem Touristengebiet befinden, gehören sie zu den schönsten, die ich je gesehen hatte: die Teegärten des Jun Shan Yin Zhen sind alle im Wald angelegt, geschützt vor der Sonne durch das Blätterdach der Bäume, umgeben von Unkraut, Farnen und Moosen. Wir sind auch zu der Teefabrik hinübergegangen, die aber geschlossen war, die Produktion für dieses Jahr ist schon längst beendet. Natürlich wird hier auch Tee verkauft, aber nur einer davon könnte wirklich von diesen Teegärten stammen, die anderen kommen ganz sicher von ausserhalb, obwohl natürlich für alle Tees die Herkunft Junshan-Insel behauptet wird. Auf der Rückfahrt nach Changsha sind wir drei Stunden auf der Autobahn stecken geblieben, aufgrund eines schweren Unfalls. Eigentlich wollten wir den restlichen Nachmittag nutzen, um weitere Teemuster zu degustieren. Dies haben wir dann auf den nächsten Tag verschoben, sind etwas kleines Essen gegangen und haben uns verabschiedet.
Freitag, 11. Mai 2018 // Nach dem Frühstück bin ich von Zhou Xiaodong abgeholt worden und wir sind zu einem Teehaus gefahren, um dort in Ruhe die weiteren Muster zu degustieren. Als erstes haben wir Zhu Ye Qing degustiert, sein Muster für mich ungewohnt in normaler Nadelblattform aus two leaves and a bud, ich kannte bisher Zhu Ye Qing nur als Knospe mit anliegendem Blatt. Sieht aber mehr nach Bambusblattgrün aus, so der Name übersetzt und ist auch geschmacklich ganz interessant, aber leider eine eher günstige Qualität. Da bin ich gespannt auf bessere Qualitäten, Muster werden folgen. Weiter haben wir die Zhuyeqing-Muster von meinen Freunden in Beijing degustiert. Mal sehen, was ich schlussendlich kaufen werde. Danach waren die beiden Kai Hua Long Ding an der Reihe und die beiden uninteressanten, weil zuwenig oxidierten Schwarztees vom Besuch in Anhua. Abgeschlossen haben wir mit einem Fu Zhuan Cha, einem Heicha aus dem von uns besuchte Teegarten in Anhua und der ist wirklich gut!
Nach dem Mittagessen hat mich Zhou Xiaodong zum Südbahnhof gebracht, von wo auf ich mit dem Zug zur nächsten Station den ganzen restlichen Tag unterwegs sein würde. Tickets hatte ich am Abend zuvor über Ctrip gekauft, eine chinesische (und mittlerweile international tätige) Reiseagentur, wusste gar nicht das dies jetzt möglich ist. Kostet natürlich Gebühr, und leider müssen die Ausländer die Tickets am Bahnhof abholen und also Schlange stehen – aber der Zug ist gebucht. Es sei auch möglich, sich die Tickets in ein Hotel liefern zu lassen, aber ich habe noch nicht herausgefunden wie.