Reisebericht: Fuding 20.-23. April 2018
Freitag, 20. April 2018 // Nach einem Nudelsuppenfrühstück und einem Tee im Hotelzimmer machte ich mich auf den Weg nach Fuding. Das Ticket für den Hochgeschwindigkeitszug hatte ich natürlich schon gekauft, als ich auch die Tickets für Suzhou kaufte. Nun musste ich zuerst zum Hochgeschwindigkeitsbahnhof Hongqiao kommen, circa eine Stunde U-Bahn mit zwei Mal Umsteigen. Ich war dann schlussendlich etwas schneller und hatte noch Zeit, in diesem riesigen Bahnhof herumzulaufen und etwas für unterwegs zum Mittagessen einkaufen. Obwohl, viel „Normales“ gibt es hier nicht zu kaufen. Viele Internationale Ketten, viel Schnickschnack, Kleider, Schuhe, eher wie an einem Flughafen, und alles ziemlich teuer. Früher gab es an den Bahnhöfen frische Früchte, Strassenküche und Instant-Nudelsuppen. Nach etwas über fünf Stunden Zugfahrt bin ich in Taimushan angekommen, ein Dorf in der Nähe von Fuding. Die Hochgeschwindigkeitszüge halten jeweils an unterschiedlichen Bahnhöfen, die Züge mit Halt in Fuding wären zu früh oder zu spät gewesen. Als erstes habe ich ein Ticket für die Weiterfahrt gekauft, hier in der Provinz braucht es dafür kein Schlangestehen. Dann war schon Zeit zum Abendessen, ich wusste noch von früheren Reisen, dass es hier ausserhalb des Bahnhofs einige kleine Lokale hat, wo es gutes, einfaches, lokales Essen gibt. Nach einer Taxifahrt von 20 Kilometern bin ich schlussendlich in Fuding im Teeladen von Shi Xiuling angekommen. Zum Vergleich: die Taxifahrt kostete mehr als die Hälfte der Zugfahrt! Nach einigen Begrüssungstees bin ich zum Hotel gefahren worden, leider etwas zu abgelegen, um zu Fuss hinzugehen.
Samstag, 21. April 2018 // Das Neubauhotel ist einigermassen schön, beziehungswiese auf schön gemacht: vor allem künstlich, Holzimitat, und woraus die Bettdecken sind will ich gar nicht wissen, Poly-Irgendwas; es schläft sich nicht so gut darin. Das Hotelfrühstück ist ganz OK, man kann sich Spiegeleier braten und verschiedene Formen von Nudeln kochen lassen, es hat Reissuppe in drei Varianten und diverses anderes Zeugs.
Nach einigen Stationen Busfahrt bin ich zu Fuss durchs Städtchen zum Teeladen gelaufen. Die Familie von Shi Xiuling stammt aus Da’e, einem Dorf oberhalb von Diantou bei Fuding, wo ich letztes Jahr die verwilderten Teegärten anschauen konnte. Ihr altes Zuhause ist mittlerweile in einem kleinen Stausee versunken; seither wohnte sie in Diantou. Seit Generationen baut die Familie Tee an; nicht nur in Da’e, sondern auch in Jingu bei Panxi haben sie Teegärten. Als Teebauern verarbeiteten sie ihren Tee, gepflückt wurden und werden die Tees von Pflückerinnen – früher Mädchen und Frauen aus lokalen Bauernfamilien, heutzutage müssen sie aus entfernteren, ländlich geprägten Gebieten geholt werden. Zwischen den Saisons schauten die Teebauernfamilien zu ihren Teebüschen und verkauften natürlich ihren Tee. Das ging folgendermassen: Shi Chengyu, ein Bruder von Xiuling, machte sich mit seinem Tee auf eine dreitätige Lastwagenfahrt nach Beijing – damals gab es noch keine Hochgeschwindigkeitszüge, keine Autobahnen, nur wenige lokale Teeläden. Der Tee wurde in einem Lager abgeladen, die Teebauern im Hostel. Mit Mustern beladen machten sie sich auf in die Beijinger Teeläden, um ihre Tees zu verkaufen. Das ging so bis in die frühen 2000er Jahre. Shi Xiuling zog in die Stadt Fuding und eröffnete dort 2005 einen Teeladen, wo seither der Tee der Familie direkt verkauft wird. Ihr Mann ist Parteisekretär in Diantou, stammt aber auch aus einer Teebauernfamilie. Selber verarbeitet diese Generation den Tee mittlerweile nicht mehr, wenn, dann nur noch kleine Mengen spezieller Qualitäten. Doch immer noch verkauft sie ihren eigenen Tee. Shi Chengyu eröffnete mit seiner Frau im Jahr 2010 einen Teeladen im Teemarkt Maliandao in Beijing, um auch dort den Tee der Familie direkt zu verkaufen, 2014 folgte ein Teeladen in Diantou, wo Chengyu während der Erntezeit ist. Beide Geschwister haben zwei Kinder, Xiuling zwei Mädchen, die ältere ist zum Studium in Xiamen, Chengyu zwei noch kleine Buben.
2011 waren mein Vater und ich zum ersten Mal in Fuding und seither kaufen wir Tee bei Shi Xiuling. Jedes Jahr seither war mindestens einer von uns Langes zu Besuch in Fuding. Von Anfang an kauften wir Weisse Tees, wofür Fuding ja als Ursprungsort bekannt ist. Der nach dem Nachbardorf Bailin benannte Bai Lin Gong Fu gehört zu den klassischen Schwarztees, den wir jeweils auch bei Xiuling kaufen, neu unter dem Namen Bai Lin Ju Hong. Anfangs war auch noch ein Grüner Tee (Lü Xue Ya) dabei, der aber nicht mehr produziert wird. Die wichtigsten Tees waren und bleiben die klassischen Weisstees Bai Hao Yin Zhen (Silver Tips) und Bai Mu Dan (White Needle) in verschiedenen Qualitäten. Um das Jahr 2010 gehörte auch der neue Xin Gong Yi Bai Cha dazu, der aber nach weniger Jahren wieder aufgegeben wurde.
Den ganzen Tag haben wir mit Tee Degustieren verbracht und viel über Tee, Verarbeitung, Geschichte und heutige Situation gesprochen. Einige Tees habe ich mehr oder weniger schon ausgesucht, am nächsten Tag würde ich mit einigen weiteren vergleichen und definitiv entscheiden.
Sonntag, 22. April 2018 // Am Morgen sind wir hinausgefahren Richtung Bailin, um dort ein gut erhaltenes Herrschaftshaus anzuschauen aus der Qing-Dynastie, es ist knapp dreihundert Jahre alt. 192 Zimmer, 360 Säulen, weiss nicht wie viele Innenhöfe, Platz für diverse Ehefrauen, Konkubinen und Dienstpersonal. Die Nachfahren der einst durch den Teehandel reich gewordenen Familie wohnen in einem abgetrennten Teil (mit Klimaanlage und Fernsehantenne), der Rest ist als Museum zugänglich. Nach einem frühen Mittagessen in einem ländlichen Restaurant sind wir zum Teeladen von Chengyu in Diantou gefahren. Dort haben wir weiter Tee degustiert und ich habe definitiv entschieden. Die Weissen Tees sind dieser Jahr ausserordentlich gut, allesamt besser und wie ich finde „weisser“, klassischer als in den Vorjahren, was dem guten Wetter geschuldet sei. Da die Nachfrage nach originalen Fuding-Weisstees immer weiter steigt und die Produktion nicht ausgeweitet werden kann, weil Pflückerinnen fehlen, ist der Preis für Weisse Tees aus Fuding dieses Jahr enorm gestiegen. Viele Grosshändler kaufen mehr und mehr auswärtigen Weisstee, das heisst auch in Europa werden viele Weisstees nicht aus Fuding auf dem Markt sein, zu günstigeren Preisen. Wir bleiben natürlich dabei, echte originale Fuding-Weisstees zu kaufen. Im Vergleich zum Beispiel zu Grüntee ist Weisstee immer noch verhältnismässig günstig, daher erwartet niemand, dass die Preise wieder sinken werden.
Nachdem wir wieder zurück in Fuding waren, haben wir vier Pakete bereitgemacht, um sie am nächsten Tag zur Post zu bringen. Ein fünftes Paket muss noch warten, da der Schwarztee noch geröstet werden muss, den ich morgen definitiv auswählen würde.
Montag, 23. April 2018 // Nachdem ich im Hotel ausgecheckt und mein Gepäck eingestellt hatte, wollte ich per Bus in die Stadt fahren, als gerade in diesem Moment Shi Chengyu von Diantou her vorbeifuhr, so konnte ich mit ihm zum Teeladen fahren. Als erstes probierten wir gepresste Weisse Tees. Yin Zhen, Bai Mu Dan, Gong Mei, Shou Mei, alle Qualitäten werden seit einigen Jahren zum Lagern gepresst. Die günstigeren, aus grösseren Blättern gemachten Tees eignen sich besser zum Lagern, obwohl ein gelagerter Yin Zhen auch nicht zu verübeln ist. Für die Zukunft will ich einen Shou Mei oder Gong Mei aussuchen, den wir dann in Bern noch einige Jahre lagern werden, bis der 2012er Shou Mei Bingcha ausverkauft ist. Nachher gingen wir zum Schwarztee über; den einen hatte ich schon zwei Tage zuvor probiert, es ist die neue Ernte vom Bai Lin Ju Hong, vom selben Teegarten wie der letztjährige. Dazu kam ein Muster von einem anderen Produzenten aus grösserer Höhe, aber aus etwas späterer Pflückung. Zudem ist er in moderner, gelberer Variante, das heisst weniger oxidiert, was ihm zwar einen sehr schönen Duft und einen üppigen, süssen erste Aufguss gibt – auf Kosten des „Schwarzteegeschmacks“, aber ab dem zweiten Aufguss langweilig wird; so bleiben wir beim Anderen. Dieser Tee wird noch über Holzkohle geröstet, um den Duft zu erhöhen und den Tee noch mal zu trocknen. Er wird dann zusammen mit dem holzkohlegerösteten Yin Zhen geschickt.
Dann haben wir die Pakete zur Post gebracht und tatsächlich ging es dieses Jahr ohne Probleme – zwei Pakete sofort schicken, die anderen beiden legen sie ein-zwei Tage zurück und senden sie dann ab. Eigentlich wie immer, nur ohne dass wir dies eine halbe Stunde mit den Postangestellten diskutieren mussten.