Reisebericht: Fuding, Tanyang 10.-13. April 2017
Montag und Dienstag, 10.-11. April
Am späten Nachmittag bin ich in Fuding bei meinen Kontakten hier angekommen. Shi Xiuling und ihr kleiner Bruder Shi Chengyu sind im Weiler Da’e aufgewachsen, welcher in den Hügeln um die Gemeinde Diantou liegt. Ihre Eltern und Grosseltern waren schon Teeproduzenten; mittlerweile produzieren sie Tee aus ihrer Heimatgegend, aber auch im Weiler Jingu in den Hügeln um die Gemeinde Panxi, wo auch die Teefabrik inmitten der Teegärten steht. Shi Xiuling hat einen Teeladen in der Stadt Fuding, wo wir sie vor Jahren kennengelernt hatten, Die Frau von Shi Chengyu führt den Laden in Diantou – er ist die meiste Zeit über in seinem Laden im Teemarkt Maliandao in Beijing und ist nur zur Erntesaison ca. März bis Mai hier in Fuding und Diantou.
Nach meiner Ankunft wurde mir natürlich gleich Tee serviert, frischer Silver Tips (der chinesisch korrekte Name ist Bai Hao Yin Zhen, Weiss-Haar Silber-Nadel). Es ging vom Genusstrinken über ins Degustieren, zu Ye Huang Yin Zhen und Xiao Bai Cha – der erste ein Silver Tips aus verwilderten Teebüschen, der zweite ein Weisstee im Baimudan-Styl aus der lokalen Teepflanzenvarietät (Cai Cha oder Xiao Cai Cha), die eigentlich zu Schwarztee verarbeitet wird. Und da sind wir schon mitten in den diesjährigen Schwierigkeiten bzw. längerfristigen Tendenzen angekommen: die alten Teemeister, die noch den hiesigen traditionellen Schwarztee Bai Lin Gong Fu herstellten, arbeiten nicht mehr, es gebe keine Menschen mehr, die dies können. Einige moderne Schwarztees werden noch produziert, aber für Schwarztee existiere hier kein Markt, die Leute wollen Weisse Tees. Also werden die mittlerweile eh schon seltenen Büsche der alten lokalen Varietät für Weisse Tees verwendet, die dann eben Xiao Bai Cha genannt werden. Eventuell ist dies sogar ein Revival der ersten Weissen Tees, bevor die Varietät Fu Ding Da Bai entdeckt wurde? Dazu kommt: je höher die Preise, desto eher wird aus den lokalen Büschen Weisstee gemacht. Und dieses Jahr – ich weiss, ich wiederhole mich, ist aber so – ist das Wetter zu kühl, einige Sonnentage wechselten sich mit Regentagen ab. Die Tees konnten erst viel später gepflückt werden, die Menge hat abgenommen und die Preise stiegen um 50% und mehr. Auch hier zahlt sich die jahrelange Arbeit aus, als langjährige Partner mit Interesse am guten Tee an sich erhalte ich verhältnismässig gute Preise.
Zum Abendessen dann wieder das übliche Gelage mit allen möglichen Leuten, also Eheleute der Geschwister, MitarbeiterInnen und andere Kunden, die auch gerade hier sind. Neuerdings wird hier Rotwein getrunken (aus Spanien und Frankreich importiert), aber die Gewohnheiten bleiben chinesisch: Es wird nicht per Flasche, sondern per Kiste bestellt – und die muss dann auch ausgetrunken werden. (Meines Erachtens könnte hier auch die Gewohnheit des „Resten einpacken lassen und mitnehmen“ bemüht werden). Nur die Männer trinken, und es wird nicht Wein genossen, sondern in Schnapsgläser gefüllt und dann gestürzt, Ganbei. Gut, dass die Chinesen nicht trinkfest sind...Aber lustig war’s.
Nun, die Frauen und ich (und Shi Chengyu) haben am nächsten Morgen früh wieder gearbeitet, nämlich Tee degustieren, vergleichen, degustieren und verpacken...Shi Chengyu, der kleine Bruder, hatte mir versprochen, mich um 8 Uhr abzuholen im Hotel, aber er hatte es vergessen. Er liess mich natürlich kein Taxi rufen, sondern ist mich dann etwas später abholen gekommen. Er hat mich dann auch zur Post begleitet, wo das übliche Prozedere seinen Lauf nahm. (Siehe Reiseberichte aus den Vorjahren, ich wiederhole mich nur ungern). Eigentlich wollten wir noch in die Hügel zu den Teegärten fahren, aber bei diesem Wetter – nass, kühl, Nieselregen, Schauer – war daran nicht zu denken. Wir sind dann am Nachmitttag zu seinem Teeladen in Diantou gefahren, dort hatte es noch einige andere Tees, also andere Chargen der gleichen Tees, klar. Das Abendessen dann im kleineren Rahmen im Bauernlokal, jedes Esszimmer-Séparé war ein Pfahlbau in einem Teich, mit dem Regen also rundherum Wasser.
Zweiter Teil Fuding siehe unten.
Mittwoch, 12. April
Für den nächsten Tag hatte ich einen Besuch in Tanyang eingeplant, wo Shi Liqiang in sechster Generation traditionellen Tan Yang Gong Fu produziert – im Gegensatz zu Bailin sind hier noch einige Produzenten aktiv. Auch die hiesige lokale Varietät ist auf dem Rückzug, es wird sehr viel Fu Yun 6 Hao angebaut. Eine neuere Züchtung, mehr Ertrag, mehr Blattbehaarung, schöneres Aussehen, weniger guter Tee. Seit den 90er Jahren wird auch Jin Guan Yin und neuerdings eine weitere Oolongvarietät namens Jin Mu Dan angebaut.
Frühmorgens bin ich zu Busbahnhof gefahren, von dort dann per Kleinbus nach Fu’an. Shi Libin, der grosse Bruder des Produzenten, hat mich am hiesigen Busbahnhof abgeholt. Auch hier in Tanyang allgemeine Verspätung aufgrund des Wetters, hier ist noch überhaupt kein Tee produziert worden – abgesehen von etwas wenigem an Fu Yun 6 Hao. Ich habe einige letztjährige Tees degustiert und versucht, so gut es ging Infos zu erhalten und die diesjährigen Einkäufe zu besprechen – Beide Brüder, die meisten Leute wohl dieser ländlichen Gegend, sprechen Mandarin mit starkem Akzent und nuschelnd, für mich eher schwierig, so muss ich halt vieles Wiederholen. Mit ihnen beiden hatte ich bisher gute Erfahrungen gemacht; es wird auch dieses Jahr klappen.
Nachdem ich bei meinen ersten beiden Besuchen die Teefabrik und den danebenliegenden wunderschönen Teegarten im Wald gesehen hatte (vergleiche den Reisebericht Tanyang 2014), wollte ich nun auch andere ihrer Teegärten anschauen, wissend, dass diese sich nicht in einem Wald befinden. Wir sind losgezogen und durch wunderschöne Hügellandschaft gewandert, durch Wälder, dann ieder durch Teegärten. Wie sehr oft in China sind die Teegärten stark unterteilt, die Brüder haben hier ein Stückchen, dort zwei, drei Reihen etc. Die Vorstellung von einem zusammenhängenden Garten ist falsch, auch wenn es manchmal hügelweise so aussieht, doch es sind stehts verschiedene Kleinstparzellen. Voller Stolz hat Shi Liqiang mir eine von seinem Vater gezüchtete Varietät gezeigt, die sehr schöne, purpurne Färbung an den frischen Blättern. Sie wurde aus der lokalen Varietät gezüchtet und wird zu dieser hinzugezählt, der Tee wird aber separat verarbeitet.
Bald wurde ich wieder nach Fu’an gefahren, und kurz vor Essenszeit bin ich wieder in Fuding angekommen. Zum Abendessen fuhren wir weit aus der Stadt hinaus, über Dämme und zwischen Feldern und Meeresarmen in ein Dorf, wo wir in einem bekannten, schäbigen Bauernlokal gegessen haben.
Donnerstag, 13. April
Unglaublich aber wahr, ich bin bei Sonnenschein aufgewacht. Wie vor zwei Tagen vereinbart sind wir gleich am Morgen über die Dörfer Diantou, Bailin und Panxi zum Weiler Jingu hinaufgefahren, wo die Teefabrik der Familie Shi liegt. Am Vortag konnte endlich wieder Tee gepflückt werden (es war nur bewölkt), bei unserer Ankunft war schon die ganze Terrasse voll mit sonnenwelkendem und sonnentrocknendem Tee – vor allem Bai Mu Dan, aber auch einige noch nicht ganz trockene Bai Hao Yin Zhen. Einmal mehr habe ich mir die Verarbeitung erklären lassen, habe Fragen gestellt und mir alles angeschaut – natürlich auch die Teegärten.
Zum Mittagessen sind wir im Dorf Panxi die berühmte Nudelsuppe essen gegangen – allerdings war das abbruchreife Häuschen mittlerweile abgerissen worden, schade. Danach sind wir über das Dorf Diantou bis nach Da’e gefahren, dem „alten Zuhause“ der Familie Shi. Das Haus ist in einem Stausee versunken, vor ca. 30 Jahren sind alle nach Diantou gezogen. Allerdings haben sie hier noch ziemlich viele Teegärten, ein grosser Teil davon verwildert und unzugänglich. In den letzten Jahren haben sie begonnen, einige dieser Gärten zugänglich zu machen, in dem Sie viel Gebüsch und etlichen Bambus rodeten. Meines Erachtens hätten sie etwas vom Bambus stehen lassen können zum Schutz vor der Sonne...Aber auch so, wunderschöne Buschwälder aus 70-80jährigen Büschen der Varietät Fu Ding Da Bai. Hier werden die Huang Cha, verwilderte Tees, gepflückt – zuerst Yin Zhen, später Bai Mu Dan.
Am Nachmittag haben wir dann weitere Pakete zur Post gebracht und noch einige Dinge besprochen – zwei Tees sollten noch holzkohlegeröstet werden, ehe sie nach Bern geschickt würden. Abends bin ich dann mit dem Hochgeschwindigkeitszug nach Shanghai zurückgefahren, am nächsten Tag würde ich nach Japan fliegen.