Reisebericht: Nannuoshan 01. April 2019
Bevor wir morgen abreisen, besuchen wir noch einmal He San und seine Familie am Nannuoshan. Zhang Xiuru und Chen Sanmao haben noch einiges zu Organisieren, denn He San wird zusätzlich zur eigenen Teeproduktion auch alle anderen Maocha im entsprechenden Atelier pressen und verpacken lassen. Erst kürzlich haben wir erfahren, dass die chinesische Regierung ein Verbot ausgesprochen hat, welches auch unsere Verpackung betrifft. Die Tees aus alten Bäumen dürfen nicht mehr als Gu Shu (alte Bäume) bezeichnet werden. Dahinter steht der Wunsch, die vielen Fälschungen unter Kontrolle zu bringen. Unsere Meinung ist da klar eine andere: wie soll eine Fälschung verhindert werden, wenn es keine unterscheidende Bezeichnung gibt? Die chinesische Regierungs-Variante zielt darauf ab, die wertvollen Produkte in den Sumpf des allgemeinen, des Ungenauen, Unklaren und Undefinierbaren einzugliedern, anstatt Mittel zu entwickeln, welche Originalität, Herkunft und Alter der Teebäume kontrollieren. Doch da bewegen wir uns auf schwierigem Terrain, uns sind die Hände gebunden, auch wir müssen eine Lösung finden. Grosse Bäume, hohe Bäume, ursprünglicher Teewald? Kurzfristig entscheiden wir uns für Da Shu (grosse Bäume) anstatt Gu Shu (alte Bäume), damit wir im kommenden Jahr unser grafisches Konzept überarbeiten und eine zufriedenstellende Lösung finden können. Der langen Rede kurzer Sinn: Alles ändert sich immer.
Apropos: Nun da die Neugestaltung der Verpackung ein Thema ist wird auch die Frage nach den Stempeln aufgeworfen. Die Detailinformationen zu Produzent, Höhenlage, Dorf, Name des Teewaldes wurden bisher mit schönen roten Stempeln aufgeprägt. Da He San und sein Bruder He Tu dieses Jahr nicht im nahe gelegenen Atelier im Dorf am Nannuoshan pressen und verpacken, ist der Aufwand des Stempelns sehr gross. Nach langem hin und her entscheiden wir erst am letzten Abend am Nannuoshan, dass diese Arbeit für die beiden zu aufwendig ist und wir die Angaben ebenfalls direkt auf das Papier drucken lassen. Und wieder wird der Grafiker via Wechat ins Boot geholt. Die Aufregung ist gross. Es gibt so vieles, das noch unklar ist, wenn wir nun aus Yunnan abreisen.
Das Schönste kommt zum Schluss. Endlich ist alles organisiert, nun möchte Zhang Xiuru für ihre Kundinnen und Kunden einige Teebäume auswählen, welche separiert verarbeitet und verkauft werden. In ihrem Geschäft in Shanghai werden sogenannte Danzhu (einzelner Baum) vorbestellt und dann die ganze Menge gekauft. Davon träumen wir noch. Nun begehen wir gemeinsam mit He San erneut den Teegarten. Er kennt jeden Baum persönlich und weiss genau, welche Bäume sich für die Einzelverarbeitung besonders gut eignen. Die schönsten Bäume liegen viel weiter hinten im Wald. Die Hänge sind äusserst steil, der Boden bietet keinen Halt. Wir wälzen uns hin und wieder unfreiwillig in der Erde, fürchten den Berg herunterzurollen und gehen trotzdem weiter. Dieser Ort ist unbeschreiblich, er pulsiert. Die alten Bäume stehen da in ihrer Klarheit, in ihrer Schönheit und wieder bin ich zu Tränen gerührt.
Kaspar Lange wollte eigentlich dieses Jahr keinen Danzhu auswählen, da unser Vorrat noch voll ist. Der zweitletzte Baum, den He San uns zeigte liess ihn jedoch nicht los. Aus der Ferne ist dies schwer zu verstehen, steht man jedoch selbst im Teegarten entsteht eine Verbindung zu den Pflanzen und zur Umgebung. Wie wir Menschen hat jeder Teebaum seinen eigenen Charakter, da überrascht es nicht, dass es einzelne Bäume gibt, die eine Person ganz besonders berühren. Kaspar Lange hat seinen neuen Baum gefunden, dessen vergleichsweise kleine Blätter ihn deutlich von anderen Teebäumen unterscheiden; er nennt ihn Xiao Ye Zhu, Klein-Blatt-Schwein.
Unsere Körper kribbeln vor Aufregung, vor Freude, vor Liebe zu diesem Ort und kehren zurück zum Haus. Hier erwartet uns ein ausgiebiges Essen und anschliessend wieder Tee. Wir degustieren Muster aus Mengsong und nochmal die gekauften Chargen aus Laoman’e und ziehen He San als Berater bei. Nach dem Geschäftlichen bereitet He San einen schon verarbeiteten Danzhu zu, den er für Weng Liping, aus grosser Wertschätzung hergestellt hat. Ein weiteres Wunder vom Nannuoshan.
Abends werden die frischen Teeblätter erhitzt. Je nach Ernteertrag zieht sich die Arbeit in die Nacht hinein. He Tu steht am Wok bis fast Mitternacht und bringt uns dann zurück zum Hotel.
Tina Wagner Lange, Jinghong und Suzhou 2.-4. April 2019