Reisebericht: Nannuoshan, 26. März 2016
Nach einer langen Reise über Zürich, Beijing und Kunming bin ich am Nachmittag des 25. März 2016 in Jinghong angekommen. Im Hotel hat bereits mein Bruder Lukas Lange gewartet, der vor seinen Teereisen mit Kunden noch einige Tage mit mir unterwegs sein wird. Nach einem Rundgang in der näheren Umgebung des Hotels und einem Nudelsuppen-Imbiss haben wir im Hotel meinen Freund und Teepartner Weng Liping getroffen. Er ist Belgier chinesischer Herkunft und wie wir seit Jahren jedes Jahr teemässig in China unterwegs. Die letzten Jahre hatten wir mit ihm Pu Er Sheng Cha aus alten Teebäumen produziert und viele weitere Tees über ihn und seine Kontakte kaufen können. Beim Abendessen haben wir unser Wiedersehen gefeiert und das Programm für den nächsten Tag besprochen.
Heute morgen, am 26. März 2016 sind wir nach dem Frühstück abgeholt und zum Berg Nannuoshan gefahren worden, um den Teebauern He San zu besuchen, der als jüngster Sohn den Familienbetrieb weiterführt und rohe Pu Er aus alten Teebäumen produziert. Bereits seit 2014 kaufen wir über Liping unsere Nannuoshan aus seinen beiden Teegärten. Die diesjährige Produktion hatte bereits vor einer guten Woche begonnen; dieses Jahr scheint die Ernte der Pu Er sehr gut zu werden, da es lange kalt war (sogar mit Frost!) und danach langsam der Frühling kam. Wenn es zu warm ist, hat die Teepflanze wenig Schwierigkeiten zu wachsen und produziert übermässig viele frische Blätter, jedoch mit weniger Inhaltsstoffen, was etwas „dünneren“, weniger interessanten Tee ergibt.
Aufgiessen eines frischen Pu Er Sheng Gu Shu Cha vom Nannuoshan
Als wir ankamen, waren die gestern oder vorgestern bereits fertig verarbeiteten Blätter bereist zum Trocken an der Sonne ausgelegt – Ein Teil draussen, ein Teil über der kleinen Teefabrik, mit Plastikaufbau und-Dach vor allfälligen Niederschlägen geschützt und gut durchlüftet. Draussen ist natürlich besser, jedoch hat es nicht genügend Platz. Gleich neben dem alten Wohnhaus, an einem stark abschüssigen Hang, stehen bereits einige alte Teebäume – aus demjenigen auf dem Foto oben rechts war unser Nannuoshan Danzhu 2014 (ungepresster roher Pu Er aus einem einzigen Baum).
Roher Pu Er wird an der Sonne getrocknet (Shaiqing) am Nannuoshan:
Zwei Sunden nach unserer Ankunft, die wir natürlich mit dem Trinken eines frischen Tees verbracht haben, sind die Pflückerinnen mit frischen Blättern angekommen, die sogleich zum Welken ausgelegt wurden. Die Blätter aus alten Teebäumen sind zum Teil sehr gross, können aber auch kleiner sein. (Das ganz grosse Blatt rechts auf dem Bild ist zu alt, d.h. bereits zu ausgewachsen zur Teeproduktion). Die meisten alten Teebäume gehören zur Varietät Da Ye Zhong, bei uns auch bekannt als camellia sinensis var. assamica. Neben diversen Untervarietäten - die alten Bäume sind wild gewachsen oder wurden vor langer Zeit als Teesamen gesetzt – existieren auch alte Teebäume der Varietäten Zhong Ye Zhong und Xiao Ye Zhong (var. sinensis).
Welkende Blätter und verschiedene Blattgrössen
Nach dem Mittagessen mit der Teebauernfamilie im Wohnhaus und weiteren Tees sind wir mit He San in den höher gelegenen seiner Teegärten bzw. Teewälder gefahren. Auf ca. 1800 m.ü.M. findet sich ein relativ wilder Wald mit vielen zum Teil sehr alten Teebäumen. Die Teebäume sind gut geschützt von höheren, anderen Bäumen, das Terrain ist vielerorts abschüssig, die Biodiversität relativ hoch. Gerade auf den Fotos ist es zum Teil gar nicht so einfach, die Teebäume zu unterscheiden oder auch einzelne Teebäume auseinanderzuhalten. Abgesehen von einigen (wild gewachsenen) kleineren Bäumchen, die nicht gepflückt werden, sind die meisten Teebäume zwei bis drei Meter hoch, darunter sind auch einige sehr alte. Es ist sehr schwierig, das Alter eines Teebaums abzuschätzen, die Bäume hier sind ungefähr zwischen 200 und 600 Jahre alt.
Teewälder mit alten Teebäumen auf ca. 1800 m.ü.M. am Nannuoshan
(Die gelben Schilder sind klebrige Insektenfallen)
Als wir zurückkamen, waren die frischen Blätter bereits genügend gewelkt und das Wok-Befeuern im Gange. Jeweils eine Portion wird stark erhitzt, um in den folgenden Produktionsschritten eine Oxidation zu verhindern (ansonsten würde man Schwarztee produzieren). Nach dem Befeuern werden die Blätter kurz zum Auskühlen ausgelegt und danach in der Rollmaschine gerollt, um Wasser auszupressen, Geschmack herauszuholen und zu formen. Danach werden sie an der Sonne getrocknet, was wir bei unserer Ankunft bereits mit dem vortags verarbeiteten Tee gesehen hatten.
Wok-Befeuern (Shaqing) in zwei holzbefeuerten Eisenwoks, Rollen und Auslegen
Nach einigen weiteren Tees sind wir noch den tiefergelegenen Teewald (ca. 1300 m.ü.M.) anschauen gegangen, danach war schon Zeit zum Abendessen. Durch den ganzen Tag hindurch haben wir natürlich den Produktionsprozess auch diskutierend begleitet, auch im Austausch mit dem Teebauern He San. Nach dem Abendessen haben Liping und er noch lange über Verbesserungen der Teeverarbeitung und zukünftige Um- bzw. Neubauten der kleinen Teefabrik diskutiert, wir haben noch einen Tee der letztjährigen Herbsternte degustiert und sind dann kurz nach 21 Uhr zurück nach Jinghong gefahren worden.
Alte Teebäume auf ca. 1300 m.ü.M. am Nannuoshan