Reisebericht: Shanghai 14.-19. April 2019
Zurück in Shanghai erwartet uns viel Arbeit. Denn mit den Besuchen vor Ort ist es in den allerwenigsten Fällen getan. Während wir noch unterwegs waren trafen unzählige Muster im Laden von Zhang Xiuru ein. Einige davon mussten sofort degustiert und bestellt werden, Zhang Xiuru verkostete die Tees stellvertretend für uns, nach ausführlichem Austausch wurde schlussendlich entschieden und bestellt. Gleichzeitg konnten die ersten Tees - unsere schönen Bi Luo Chun und Long Jing - verpackt und nach Europa gesendet werden. Tina Wagner Lange ist einen Tag nach unserer Ankunft in Shanghai zurück in die Schweiz geflogen; nach einem Ruhetag habe ich mich wieder mit Weng Liping und Chen Sanmao verabredet, um im Laden von Zhang Xiuru in einem kleinen Teemarkt nördlich des Bahnhofs das weitere Vorgehen zu besprechen – und um zu degustieren, degustieren und nochmal degustieren. Die folgenden fünf Tage werden durchgehend Muster verglichen, degustiert wird nach Verarbeitungsart und Region, um die Tees in sinnvollem Rahmen zu beurteilen:
Pu Er aus Yunnan. Wir haben einige Regionen besucht, viel Tee degustiert und zum Teil detailliert ausgesucht, von welchen Gärten bzw. Wäldern wir den Tee kaufen möchten. Als wir vor Ort waren, war erst wenig Menge produziert worden, die meisten degustierten Tees waren eher Typmuster. Einzig im Dorf Laoman’e am Bulangshan haben wir die ganze von uns benötigte Menge kaufen können, was auch nötig war, denn dieser Tee ist fast unmöglich zu kriegen, wenn mensch nicht vor Ort ist. Nannuoshan ist kein Problem, dank des guten Kontakts zu He San und seiner Familie. Aber die Tees aus Yiwu, Youleshan, Mengku, Jinggu, Mengsong, Mansong müssen sorgfältig weiterverfolgt werden. Von einigen erhalten wir ein Warenmuster, welches wir für gut befinden sollen, wenn nicht, müssen wir weitersuchen. Von anderen bekommen wir verschiedene Muster zur Auswahl. Das Pflücken in Mengsong lassen wir von He Tu überwachen, die frischen Blätter werden zum Nannuoshan gebracht und von He San verarbeitet. Wir vergleichen jeweils zwei bis sechs Tees zusammen, alle Tees werden über die Tage hinweg mehrmals in verschiedenen Kombinationen degustiert – immer blind, nie nach Namen, ausschliesslich nach Qualität beurteilt. Je nach Zusammensetzung der Reihe schmecken einzelne Tees ganz anders, wir sehen verschiedene Facetten und haben viele Vergleichsmöglichkeiten. Das Ganze scheint nun vielleicht etwas verwirrend, komplex und langweilig; für uns jedoch sehr spannend und anstrengend – und extrem lehrreich.
Diverse Tees aus Sichuan. Natürlich degustieren wir nicht nur rohe Pu’er. In der nördlichen Nachbarprovinz von Yunnan, in der Gegend um Mingshan bei Ya’an, werden Gelbe, Grüne und Schwarze Tees hergestellt. Auch hier haben wir Muster von verschiedenen LieferantInnen erhalten. Im Gegensatz zu Yunnan, wo heisse Trockenheit herrschte, war es fast überall sonst in China im Frühjahr kühl und vor allem zu regnerisch, so auch in Sichuan. Die frischen Blätter wachsen langsam, die Produktionsmenge sinkt, und die Herstellung wird schwieriger, da das Pflückgut viel mehr Feuchtigkeit ausweist – was die Auswahl auch nicht gerade einfacher macht. Einige Tees kaufen wir schlussendlich nicht, wenn wir Glück haben finden wir andere.
Grüne Tees aus Zhejiang und gelagerte Taiwan-Oolong. Zwischendurch vergleichen Weng Liping und ich noch verschiedene gelagerte Oolong aus Taiwan, jeweils Tees von Länggass-Tee mit solchen von Liping, während Chen Sanmao und Zhang Xiuru Administratives erledigen und Pakete zum Versand bereitmachen. Neben den bereits erwähnten, von Xiuru beurteilten Tees aus Xinchang und Jingning sind Muster von Anji Baicha gekommen, die wir sofort degustiert, ausgesucht und bestellt haben.
Währenddessen bleiben wir alle in Kontakt mit den verschiedenen ProduzentInnen: Rückmeldung geben zu einzelnen Mustern, weitere Muster anfordern - oft von verschiedenen LieferantInnen – , Preise diskutieren, die für gut befundenen Tees bestellen bzw. reservieren, und nicht zuletzt auch die nächsten Besuche organisieren. Ich für meinen Teil war vor allem im Kontakt mit den Leuten aus Suzhou, Tanyang und Fuding, die Tina Wagner Lange und ich besucht hatten: das in Suzhou gekaufte Geschirr muss noch zur Post gebracht werden, die Tees aus Tanyang sind noch nicht fertig produziert, einige Pakate aus Fuding müssen noch versandt werden. Zusätzlich bin ich noch mit zwei chinesischen Grosshändlern in Kontakt, die für mich diverse Alltagstees suchen und bemustern werden.
Ein Thema, das uns durch alle Degustionen begleitet: Die Nachfrage, die Modetrends des chinesischen versus traditionell verarbeiteter Tee. Kurz zusammengefasst für alle Teearten: die Tees werden immer grüner, grasiger, mehr auf Duft und Aussehen als auf Qualität und Geschmack. So werden Weisse Tees zuwenig lang gewelkt, Schwarze Tees nur kurz oxidiert, Oolong wenig gewelkt und kaum geröstet, Grüne Tees zuwenig erhitzt, Gelbe Tees kaum gegelbt. Traditionelle Herstellung braucht viel Erfahrung, Können, Willen und Arbeitskraft. Wir brauchen Geduld und Durchhaltevermögen, Leidenschaft und unsere grosse Liebe zum Tee.
Kaspar Lange, Shanghai 19. April 2019