Reisebericht: Tokyo, Iruma 14.-16. April 2017
Freitag und Samstag, 14.-15. April
Am Freitagmittag bin ich in Tokyo gelandet. Im Hotel sollte ich unseren Mitarbeiter Mark Drenhaus treffen; er würde auf der Japanreise dabei sein, da er in Zukunft die Verantwortung für die japanischen Tees übernehmen wird. Bis zum Samstagnachmittag haben wir uns ausgeruht, Kaffee getrunken, sind im Ueno-Park Kirschblüten schauen gegangen und haben uns des japanischen Essens und der öffentlichen Bäder erfreut.
Nach dem Mittagessen sind wir mit Vorortszügen nach Chiba gefahren, wo wir Florent, einen Nihon Tea Instructor treffen sollten. Er ist der erste Franzose, der diese Ausbildung zum japanischen Tee-Sommelier abgeschlossen hat. Er hatte japanische Kunstgeschichte studiert und ist vor 13 Jahren in Japan – und im Tee – hängen geblieben. Von ihm erhofften wir uns Austausch, Fachwissen und Tee-Spezialitäten. Wir haben einige seiner Tees degustieren können und viel über die japanischen Teepflanzenvarietäten sowie über diverse moderne Verarbeitungsvarianten erfahren. Knapp 80% der Teepflanzen in Japan sind von der Varietät Yabukita, die aus den ursprünglichen, aus Samen gezogenen, Zairai genannten Varietäten gezüchtet wurde und seit Jahrzehnten flächendeckend angepflanzt wird. Mittlerweile gibt es aber eine Vielzahl von weiteren Varietäten, früher knospende, süsseren Geschmack ergebende, solche mit mehr Umami-Geschmack etc. Neben der klassischen Verarbeitung zu den verschiedenen Varianten der gedämpften Grüntees wie Sencha, Gyokuro etc. wird schon seit einiger Zeit japanischer Schwarztee (Kocha) produziert und sogar Oolong. Neuerdings wird auch in der Grünteeverarbeitung experimentiert: so ergibt ein längeres Dämpfen einen sogenannten Fukamushi-Sencha, einen schweren, trüben, tiefen, süssen Tee. Eine weitere Art ist „oxidierter Grüntee“. Durch ein langes Welken entsteht eine dem rohen Pu’er ähnliche Verarbeitung, ein japanischer Grüntee, der sich streng genommen schon von der Definition „Grüntee“ entfernt.
Bei der Rückkehr ins Hotel hat uns bereits mein Vater Gerhard Lange erwartet. Für ihn wird es wohl die letzte Asienreise sein, bei seinen japanischen Tee-Kontakten wird er mich und Mark Drenhaus als Nachfolger vorstellen.
Sonntag, 16. April
Bereits am Morgen früh haben wir uns auf den Weg nach Iruma gemacht, wo wir nach einer gute Stunde Zugfahrt eingetroffen sind. Per Taxi sind wir dann zu Hiruma-san gefahren. Von diesem Teebauern haben wir seit einigen Jahren handgerollten Sencha, japanisch Temomicha. Wir wurden mit einem Neujahrstee empfangen – hierfür werden die kurz nach der Ernte gedämpften Blätter bei -80°C schockgefroren, um dann am Neujahrstag verarbeitet zu werden. Wenn das gefrieren schnell genug geht, werden die Eiskristalle nicht gross und somit bleibe die Zellstruktur intakt. Ein bisschen verrückt ist das schon...Die Verständigung lief etwas harzig, Mark kann ein wenig japanisch, der Sohn von Hirum-san spricht ein wenig englisch, dazu noch ein Übersetzungs-Computer. Mit der Zeit ist es aber besser geworden. Wir haben noch weitere Tees getrunken, einen nicht gerollten Grüntee (der dann ähnlich einem chinesischen Nadelblatt-Tee wird, beziehungsweise einem handgearbeiteten Tencha, dem ebenfalls ungerollten Basistee für Maccha), einen japanischen Schwarztee (den wir geschmacklich irgendwo zwischen Taiwan und Ceylon einordnen) sowie einen lange gewelkten Grüntee (der Anklänge von rohem Pu Er und von grünem Oolong erkennen lässt). Hiruma-san bezeichnet sich selber als seltsam, da er viel experimentiert mit der Teeverarbeitung. Unter anderem legt er die zu welkendenden Tees unter Ultraviolettes Licht.
Nach einem Besuch im örtlichen Teemuseum und einem Mittagessen im Lokal daneben hat uns Hiruma-san zu seinen Teegärten gefahren, die auf diverse Parzellen verteilt im flachen Land liegen. Rundherum sehen wir für die halbmaschinelle Pflückung zurechtgeschnittene Reihen von Teebüschen, vielerorts stehen kleine Windräder, welche die kühle Luft auf den Teebüschen wegblasen und wärmere, feuchtere Luftschichten zum Tee bringen sollen. Für handgerollte Sencha hat Hiruma-san einen Teegarten mit nicht so kurz geschnittenen Teebüschen der Varietät Yabukita, die er von Hand pflücken lässt. Wie für Gyokuro werden auch diese Büsche vor der Ernte bedeckt - was übrigens in ganz Japan für gute Sencha üblich ist. In den restlichen Teegärten mit kurzgeschnittenen, halbmaschinell zu pflückenden Büschen hat Hiruma-san Büsche von neun weiteren Teepflanzenvarietäten. Oft werden solche Tees nicht über ein Gestell mit Plastikgeflechten bedeckt, sondern direkt auf den in Form geschnittenen Büschen. Übrigens sind in den Teefeldern rundherum nicht nur kurzgeschnittene, sondern ab und zu auch andere von Hand zu pflückende grössere, wilder wachsende Büsche zu sehen. Aber doch kein Vergleich zu China – hier in Japan sind die Büsche viel dichter gepflanzt, mit der Biodiversität ist es nicht weit her, es gibt keine Bäume zum Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung, der Tee wird in der flachen Ebene angebaut.
Zurück bei Hiruma-san hat er uns noch seine Teefabrik gezeigt. Eine Halle voll mit Maschinen, wie in Japan üblich. Die frischen Blätter kommen vorne rein, hinten kommt der fertige Tee raus, alles voll maschinell. So im „trockenen“ Zustand ist es gar nicht so einfach, dem Prozess zu folgen, doch würden wir in den nächsten zwei Wochen noch öfters Gelegenheit haben, Teefabriken zu besichtigen. Für uns wichtig ist es, die einzelnen Verarbeitungsschritte mit bestimmten Geschmäckern zu identifizieren, die Verarbeitung genau zu verstehen. Über wiederholte Degustationen wachsen dann die Erfahrung, das Wissen, die Beurteilungsfähigkeit.
Zum Schluss haben wir noch einen von Hiruma-san produzierten Oolong getrunken, der gar nicht schlecht war. Von diesem sowie von einigen anderen Tees haben wir ein wenig gekauft, um dann in der Länggasse in Ruhe zu degustieren. Er hat uns dann noch zum Bahnhof gefahren, von wo wir per Vorortszug und Metro zum Bahnhof von Tokyo gefahren sind. Dort haben wir uns in den Superexpress-Shinkansen nach Shizuoka gesetzt.