Reisebericht: Uji 25.-26. April 2023
Von Kawanehon geht es mit der alten Bahn Richtung Westen nach Wakayama.
Hier übernachten wir bei Hitomi Leiser-Nakamura und ihren Eltern. Hitomi und ich haben vor vier Jahren am selben Tag bei Länggass-Tee angefangen zu arbeiten. Kaspar und ich haben riesiges Glück, dass sie zur selben Zeit wie wir in Japan weilt und wir sie in ihrer Heimat besuchen können. In Wakayama haben wir Zeit für ein Bad in den berühmten Quellen von Hanayama Onsen und ein köstliches Mittagessen mit der Familie von Hitomi.
Nach dem Essen planen wir unseren letzten Produzentenbesuch, Hotta-en in Uji, zu dem uns Hitomi begleiten wird. Zur selben Zeit wie wir bei Nakamuras zu Besuch ist Aiko Watanabe. Eine Keramikkünstlerin, von der wir seit einigen Jahren Maccha-Schalen und Teebecher in Bern führen. Aiko brennt ihre Keramik in einem Anagama Ofen, was äusserst selten ist. Der Ofen wird über drei Tage hinweg mit Holz befeuert und verleiht der Oberfläche der darin aufgebauten Stücke durch die zu Glas schmelzende Asche eine einzigartige und archaische Erscheinung. Vor zwei Jahren hat mich Aiko eingeladen dem Kama-Taki, dem Einfeuern ihres Ofens, beizuwohnen und dieses Jahr kann ich ihrer Einladung folgen. Es ist eine seltene Gelegenheit und grosse Ehre, normalerweise können Aussenstehende einem Kama-Taki nicht beiwohnen, von mithelfen ganz zu schweigen. Der nächste und letzte Reisebericht wird diesem Erlebnis gewidmet.
Neben der Planung für die nächsten Tage haben wir Gelegenheit mit Hilfe von Hitomis Übersetzungen Bestellungen bei Aiko aufzugeben. Da Sie nur zwei Mal im Jahr brennt und die Nachfrage gross ist, schätzen wir uns glücklich und freuen uns auf neue Chawan, Chahai, Teebecher und Cups aus ihrem Ofen.
Dann geht es am späten Nachmittag wieder auf die Reise. Wir kommen spät am Abend in Uji an und gehen wiedermal in eine kleine Izakaya essen. Nach all den Erwähnungen scheint es unsinnig, aber ich kann nicht umhin nochmal die japanische Gastrokultur mit Bewunderung zu erwähnen. Das kleine Lokal kocht einfache, köstliche Gerichte und wir fühlen uns herzlich willkommen. Dann einchecken ins Hotel. Bisher haben wir ausschließlich in Ryokans übernachtet und die Umgewöhnung fällt nicht leicht. Im Vergleich zu den Tatami-Böden und den erdfarbenen Wänden fühlt sich ein modernes Hotelzimmer eher kalt und hart an. Am nächsten Tag finden wir nur unter grossen Schwierigkeiten ein Frühstück. Doch die lange Suche lohnt sich, der alte Mann der uns sein Hausgericht, Curry-Reis mit Ei, serviert ist herzerwärmend freundlich und wir gehen gestärkt auf die Suche nach neuem Tee.
Wir klappern im Dorf einige Teeläden ab. Kaspar erinnert sich von seinem letzten Besuch in Uji vor sechs Jahren an einige interessante Orte. Bei unserem ersten Halt, dem angeblich ältesten Teeladen Japans, degustieren wir einen Sencha, einen Gyokuro und zwei Macchas. Alle überzeugen und wir nehmen ein paar Tüten zum Vergleich mit. Diese Methode, Teeläden, die von aussen sympathisch erscheinen mit "try & error" zu durchleuchten, ist oft unfruchtbar und zeitaufwändig, weil die Tees häufig nicht den Erwartungen entsprechen, aber dennoch wichtig. Hier haben wir die Chance von verschiedenen Quellen Beispiele für Uji-Tee zu bekommen. Nicht nur, was unsere Lieferanten für typisch halten.
Eines der Ziele mit unserem Sortiment ist es, die Teekultur in ihrer Vielfalt widerzuspiegeln. Diese Vielfalt ist Ausdruck verschiedener Lebensumstände und Kontexte. Im Tee bedeutet das ähnlich wie beim Käse oder Wein nichts anderes, dass sich Herstellungsmethoden und somit Geschmacksprofile in Regionen und Stile unterteilen lassen. Bedingt durch vielerlei Faktoren schlägt sich in einer Region ein bestimmter Stil nieder. Wenn er lang genug praktiziert wird und Verbreitung findet, erkennen wir als KonsumentInnen von wo welches Produkt stammt. Bis zu dem Punkt, da eine Ortsbezeichnung Synonym mit einem Produktstil wird. Emmentaler und Gruyère.
Diese Phänomene sind natürlich dem Wandel unterlegen. Der technologische Fortschritt und die damit verbundene Industrialisierung der Lebensmittelherstellung haben gewaltige Veränderungen gebracht. Der Aufskalierung in Mengen astronomischen Ausmasses folgt gezwungenermassen eine Homogenisierung des Produkts, der Effizienz willen. Doch wundersamer Weise haben sich viele Traditionen erhalten. Einige werden weiterentwickelt, andere gehen verloren.
Zudem ist heute ein Anstieg an ProduzentInnen zu verzeichnen, die sich bewusst gegen diese grossindustrielle Entwicklung stellen und sich auch so vermarkten. Sie werden dem Verlangen nach authentischen Lebensmitteln mit Tiefe gerecht.
Für uns stellt sich die Frage, was macht einen typischen Tee von dieser oder jener Region aus. Umso mehr, wenn wir nicht direkt von ProduzentInnen, sondern von ZwischenhänderInnen Tee beziehen, welche regionenübergreifend Tee ein- und verkaufen.
Mit einem eng gefassten Terroir-Begriff kommen wir nur bedingt weiter. Die zum Teil naturgegeben Umstände wie Klima, Boden, Lage und Varietät haben einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität und den Geschmack des Tees. Doch Verarbeitungsschritte wie Rösten, Dämpfen und Formen geben dem Tee einen wichtigen Teil seines sensorisch wahrnehmbaren Charakters und diese können von Fabrik zu Fabrik sehr unterschiedlich ausfallen. Trotzdem können wir festhalten, dass sich in Japan regionenspezifische Trends bzw. Merkmale deutlich abzeichnen. So zum Beispiel sind sämtliche Grüntees die wir in Yame angetroffen haben sehr kräftig geröstet und lange gedämpft, in Saga wird hauptsächlich Tama-ryokucha gemacht, in Shizuoka wird nur wenig beschattet usw.
Für Uji-Tee konnten wir bisher nur unsicher Charakterzüge festmachen. Nach einigen Degustationen lässt sich sagen, dass die meisten Tees aus dieser Region nur wenig gedämpft und geröstet werden. Sie sind insgesamt weniger üppig: ihnen geht das krasse Umami der Yame- oder die intensiv blumige Note von Shizuoka Tees gänzlich ab. Dafür tragen sie ein wunderschön klares und frisches Grün in sich, oft umgeben von feinen würzigen Aromen.
In Uji selber wird nur wenig Tee angebaut und der überwiegende Teil davon wird nicht zu Blatt-Tee wie Sencha oder Gyokuro, sondern zu Maccha verarbeitet. Was es nochmal schwieriger macht einen repräsentativen Tee zu finden.
Uji gilt aus verschiedenen Gründen als die prestigeträchtigste Teeregion in ganz Japan. Hier wurde das bedecken von Gärten populär und mit der Einführung der „Uji-Methode“ der Grundstein für den modernen Sencha, wie wir ihn heute kennen, gelegt.
So säumen sich in den Einkaufsstrassen die Teeläden dicht an dicht. Viele Touristen tummeln sich herum. In Yame und Shizuoka ist mir ein paar Mal zu Ohren gekommen wie Teehändler sich beschweren, dass Tees aus Uji sich wegen dem Namen quasi von allein verkaufe. Nach den Besuchen in den Teeläden haben wir noch Gelegenheit für Tempel- und Coiffeurebesuche.
Am zweiten Tag in Uji steht unser letzter Firmenbesuch an. Am Bahnhof treffen wir Tomoe Oda von Hotta Katsutaro Shoten oder kurz Hotta-en. Mit dabei ist Nigel, ein Freund vom CEO Masashi Hotta, er stammt aus England, lebt schon lange in Japan und ist für Übersetzungen zuständig. Wir fahren zum Firmensitz, der nur unweit gelegen ist. Dort wird uns ein Maccha bereitet, der heute Morgen für die Gelegenheit frisch gemahlen wurde. Außergewöhnlich cremig und weich. Es folgen Gespräche über Tee. Hier interessant zu hören, was denn Uji Tee für sie genau ist und welcher Tee sich so nennen darf. Oftmals wird in Kagoshima, wo Tee in riesigen Mengen hergestellt wird, Tee eingekauft, nach Uji gebracht und hier verarbeitet, wo er dann mit der Bezeichnung „Uji-Tee“ verkauft wird, obwohl die Blätter nicht von hier stammen. Natürlich ist die Verarbeitung der Blätter genauso wichtig wie der Garten und trägt wesentlich auch zu dessen Stil bei, aber hier gilt es unserer Meinung nach genau zu sein. Da in Uji selber die Teegärten nicht zahlreich sind darf auch in den in der Umgebung liegenden Gemeinden, so z.B. Kamo, Kyotanabe oder Wazuka, Tee geerntet und als orginaler Uji-Tee verkauft werden, teils sogar ausserhalb der Präfektur Kyoto.
Wir werden durch das Bürogebäude und die anliegenden Produktionshallen geführt. Hotta richtet sich zunehmend auf den westlichen Markt aus und das Produktionsvolumen ist sehr gross. Es können bis zu drei Tonnen Shiagecha an einem Tag hergestellt werden. In verschiedenen Räumen stehen modernste Maschinen und verarbeiten Tee, je nach den Bedürfnissen der Kunden. Vom einfachsten, stark zerschnittenen und spät geerntetem Bancha bis hin zu edlem Gyokuro, für den Uji so berühmt ist. Auch Maccha wird in sehr grossen Mengen hergestellt. Die Steine hier sind nicht von derselben natürlichen Beschaffenheit wie wir sie in Hoshino gesehen haben. Sie werden aus einem dunkleren, menschengemachten Steingemisch hergestellt, doch so genau möchten Sie uns es auch nicht erklären, Firmengeheimnisse. Nigel erzählt jedenfalls, dass die Steine in derselben Zeit doppelt so viel Pulver mahlen wie traditionelle Steinmühlen, also um die 80g pro Stunde, die Qualität jedoch die gleiche sei.
Für günstigeren Maccha haben Sie im Nebenraum zwei gewaltige, turbinenähnliche Mühlen die mehrere Kilo Pulver in kürzester Zeit mahlen können.
Spannend zu sehen wie sich die Infrastruktur in den verschiedenen Fabriken, die wir besuchen unterscheiden. Hotta-en ist definitiv die grösste und modernste Einrichtung. Es schüttelt und ruckelt, lärmt und dröhnt. Überall rieselt Tee in mannigfaltigen Zuständen in offene Kisten.
Nach dem Rundgang holen wir Hitomi am Bahnhof ab und gehen zusammen in ein Tempura-Restaurant essen.
Nachmittags hat Hotta für uns eine Degustation mit Haruhide Morita geplant. Er ist special advisor der Firma und seines Zeichens Teemeister. Ein Blick in sein Lebenslauf genügt und man glaubt ihm. Mit gerade mal 19 Jahre hat er am nationalen Teebeurteilungswettbewerb den ersten Platz geholt und seither viel in der Teewelt erreicht.
In dem Degustationzimmer hinter dem Grossraumbüro haben sie grossflächig Tee arrangiert. Verschiedene Ernten, Produktionsstufen und Qualitäten von Maccha, Sencha, Gyokuro und Kukicha. Morita-san tritt zu uns und erzählt, übersetzt von Hitomi, über Tee. Schnell gelangen wir vom Allgemeinen ins Spezifische und degustieren einige Tees mit ihm. Morita-san vertritt eine ganz bestimmte Philosphie und hat eine klare Linie was den Tee-Ein- und Verkauf anbelangt. Über die vielen Jahre hat er das Veredeln und Mischen von Tee zur Meisterschaft gebracht. Nicht also der Anbau, sondern das feinjustieren von Aroma- und Geschmacksparametern und das folgende Komponieren der einzelnen Tees zu einem Ganzen. Indem zum Beispiel manche Tees von feinem Charakter, aber intensivem Duft mit anderen von kräftigem Körper und leichtem Aroma kombiniert werden ergeben sich schöne Gesamtbilder mit Tiefe. Dabei geht es ihm entschieden nicht um teuren Tee. Teurer, nichtssagender Tee werde genug gemacht, sagt er, es geht ihm um Charakter und um die Bedürfnisse der Person, die den Tee schlussendlich kauft und trinkt. So sind denn auch unsere Tees von Hotta-en persönlich von ihm komponiert und abgestimmt. Es ist ein spannender Ansatz und wir lernen viel im Austausch mit Morita-san. Es folgen wiederum Gespräche über mögliche neue Tees für unser Sortiment und es wird abgemacht welcherlei Muster sie uns nachschicken zum vergleichen und degustieren.
Nach der Degu im Büro besuchen wir noch einen nahgelegenen Gyokuro-Garten und verabschieden uns anschliessend beim Bahnhof. Von dem aus Kaspar und ich für unseren letzten gemeinsamen Aufenthalt nach Kyoto fahren.
Tobias Hurschler, Bern im Mai 2023
Warenkorb
Grüntee Sets aus Japan und China
Anfang 2021 haben wir angefangen, von ausgesuchten ProduzentInnen Sets mit verschiedenen Tees anzubieten: aus Japan die Sencha Varietäten aus Shizuoka und Iruma mit je fünf Sencha aus unterschiedlichen Teepflanzensorten, aus China die Grüntee Varianten Xinchang mit verschieden verarbeiteten Grüntees in den Formen Longjing, Maofeng und Zhucha.
Zwei Sets mit Sencha Varietäten 2022
Grüntee Varianten Xinchang 2022
Kundenreisen zum Tee mit Länggasstee
Wir haben uns sehr gefreut, die Teereisen 2024 nach Ostchina und Südchina durchführen zu können. Wir freuen uns schon auf die nächsten Reisen im Frühling 2025. Mehr Infos siehe unter:
TeereisenKundenreisen zum Tee mit Länggasstee 2024
Frische Pu Er Sheng Cha 2023
Auch im Jahr 2023 haben wir im Frühling wieder rohe Pu Er Cakes aus alten Teebäumen produzieren lassen - Pu Er Sheng Bing Gu Shu Cha. Wir konnten wieder nicht vor Ort sein, durch unsere langjährigen Kontakte zu ProduzentInnen und HändlerInnen ist die Produktion hochwertiger Pu Er aus alten Teebäumen fast schon Routine geworden:
Das Buch über Tee
Gong Fu Cha. Tee als Handwerkskunst und das bewusste Geniessen: Das erste Teebuch, geschöpft aus dem Fachwissen von Länggass-Tee.
Einblick in das Buch (pdf)Unser Tee Buch bestellen im Onlineshop